Die Ludwig-Verschwörung
Doch dann siegten die Neugier und jenes Gefühl, das er sich immer noch nicht erklären konnte. Es war beinahe, als wäre er an dieses Buch gefesselt.
Nachdenklich starrte Steven weiter aus dem Fenster. Was mochte nur so geheim sein, dass Theodor Marot es noch einmal zusätzlich verschlüsselte?
Was, um Himmels willen, weißt du über Ludwig? Was ist so schrecklich, dass es eines weiteren Codes bedarf?
»Ups, ich fürchte, wir kriegen ein Problem.«
Saras Stimme riss Steven aus seinen Gedanken. Bevor er etwas erwidern konnte, sah er, dass sich vor ihnen auf der von Bäumen gesäumten Autobahn ein Stau gebildet hatte. Einige hundert Meter entfernt konnte er das rhythmische Blinken eines Blaulichts erkennen, die Fahrer vor ihnen hatten ihr Seitenfenster nach unten gekurbelt und starrten neugierig nach vorne. Sofort ging Stevens Puls in die Höhe.
»Verdammt, die suchen mich!«, zischte er. »Zuerst die Beschreibung im Radio und jetzt das! Ich muss verrückt gewesen sein, mich auf Ihren bescheuerten Plan einzulassen!«
»Das muss gar nichts bedeuten«, versuchte Sara ihn zu beruhigen. »Vielleicht ist es nur ein Unfall. Außerdem erkennt Sie in den Klamotten nicht mal Ihre eigene Mutter.«
»Und wenn sie mich nach meinen Personalien fragen, was dann?«
Sara schwieg, und der Wagen rollte gemächlich auf das Blaulicht zu. Mittlerweile waren sie nahe genug herangefahren, um zu erkennen, dass es sich tatsächlich um eine Polizeikontrolle handelte. Ein uniformierter Beamter stand mit einer Warnkelle am Straßenrand und winkte einzelne Fahrzeuge auf den Seitenstreifen, wo ein größerer Einsatzwagen parkte. Durch die geöffnete Seitentür sah Steven, dass die Polizisten die Personalausweise mancher Fahrer überprüften. Wieder fuhr Saras Mini ein Stück näher auf die Kontrolle zu.
»O Gott, das überleb ich nicht!«, stöhnte Steven. »Das ist das Ende!«
»Sie werden jetzt genau das tun, was ich Ihnen sage«, erwiderte Sara ruhig. »Sie nehmen die verspiegelte Sonnenbrille runter, setzen sich die Baseballmütze richtig rum auf und lächeln wie ein Farmerjunge aus Wisconsin. Als Amerikaner sollte Ihnen das nicht allzu schwer fallen. Alles klar?«
Steven schloss kurz die Augen und murmelte einen Fluch, dann tat er wie befohlen. Sein Lächeln erschien ihm so falsch wie auf einer Beerdigung. Meter für Meter näherte sich der Wagen dem Polizisten mit der Warnkelle. Das Auto vor ihnen durfte passieren, dann waren sie an der Reihe. Sara kurbelte das Fenster runter und winkte dem Beamten zu.
»Was’n los?«, nuschelte sie und tat so, als würde sie auf einem Kaugummi kauen. »Oktoberfest ist doch schon lang vorbei. Macht ihr immer noch Alkoholkontrollen?«
Der Polizist schwieg lange und warf einen strengen Blick ins Innere des Wagens.
»Wohin fahren Sie?«, fragte der Mann schließlich im amtlichen Ton.
»In die Berge«, erwiderte Sara fröhlich. »Ich zeig meinem amerikanischen Freund hier mal die Alpen.«
»Hi. Any problems with the car?« Steven sprach breitesten Mittelstaatendialekt und hob zögerlich die Hand zum Gruß. Sein Lächeln gefror zu Eis, während ihn der Polizist nachdenklich musterte. Kurz schien er etwas sagen zu wollen, dann beugte er sich plötzlich nach vorne und deutete auf das Nummernschild vorne am Wagen.
»Ihr TÜV läuft in drei Monaten ab«, wandte er sich streng an Sara. »Kümmern Sie sich darum.«
»Mach ich. Schönen Tag noch.«
Die Kunstdetektivin gab Gas, und schon bald war das Blaulicht hinter ihnen nur noch ein fernes Blinken. Eine ganze Weile sagte keiner von ihnen beiden etwas.
»Das … das …«, stammelte Steven schließlich. »Alle Achtung. Wie haben Sie nur so cool bleiben können?«
»Cool?« Sara sah ihn entsetzt an, erst jetzt fiel Steven die Blässe in ihrem Gesicht auf. »Ich musste mich vor Angst fast übergeben. Mann, so aufgeregt war ich nicht mehr, seitdem ich mit fünf Glas Prosecco intus in die Streife vor dem Münchner Nachtcafé gerauscht bin!«
Unwillkürlich musste der Antiquar lächeln, offenbar war Sara doch nicht so kaltschnäuzig, wie sie immer tat. »Jedenfalls scheinen Sie für Ihren Beruf als Detektivin wirklich Talent zu haben«, sagte er schließlich. »Oder lernt man das etwa auch im Berliner Problemviertel Wedding?« Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. »Noch mal brauch ich so etwas allerdings nicht.«
Sie fuhren schweigend über die Autobahn, die wie ein graues unendliches Band durch Wälder und Wiesen führte. Links von ihnen
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