Die Ludwig-Verschwörung
Kostüm und einen funkelnden Ring am Finger. Als sie den Mann erkannte, reichte sie ihm lächelnd die Hand zum Kuss.
»Na, nun ist wenigstens klar, warum die Dame hier feiern darf«, murmelte Sara. »Der bayerische Innenminister höchstpersönlich gibt sich die Ehre. Jetzt wird vermutlich zwischen Sekt und Mousse Caramel die nächste Parteispende ausgehandelt.«
»Jetzt seien Sie doch nicht immer so negativ!«, schimpfte Steven. »Ich habe mich erkundigt. Das Geld, das hier reinkommt, wird ausschließlich zur Sanierung des Schlosses verwendet.«
»Klar, und ich bin Mutter Teresa.«
Seufzend gab Steven auf und kaute weiter an seinem Lachscanapé. Er musste Sara recht geben, die Brötchen schmeckten wirklich wie mit Majonaise bestrichene Watte. Er stellte den Teller beiseite und beobachtete Luise Manstein, die sich noch immer mit dem Innenminister unterhielt. Während des ganzen Festes hatte sie Steven noch nicht eines Blickes gewürdigt. Erst als der Minister sich mit einer Verbeugung verabschiedet hatte, streiften ihn wie zufällig ihre Augen. Sie verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln und prostete ihm mit ihrem Sektglas zu.
»Ah, unser amerikanischer Journalist«, rief sie gut gelaunt. »Ich hätte Sie unter der Maske beinahe nicht erkannt. Gefällt Ihnen mein Geburtstagsfest?«
»Es ist … mehr als spektakulär«, erwiderte Steven zögernd. »God gracious, meine Hochachtung. Ich dachte, so was gäbe es nur bei Hollywoodstars.«
Luise Manstein kam lächelnd ein paar Schritte auf ihn zu. »Feste sind immer auch Theaterstücke, nicht wahr? Denken Sie an Ludwig, ihm hätte diese Party sicher gefallen. Schließlich war sein ganzes Leben nichts weiter als eine einzige pompöse Inszenierung.«
»Ich gebe zu, so habe ich das noch gar nicht gesehen.«
»Sollten Sie aber. Auf diese Weise erklären sich viele seiner schrulligen Verhaltensweisen, die ihm die Nachwelt als Wahnsinn ausgelegt hat. Alles ist eine Frage der Perspektive.« Die Konzernchefin sah Steven aufmerksam an. »Kennen wir uns eigentlich von früher? Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
»Äh, bedaure, nein.« Steven schüttelte den Kopf und hoffte verzweifelt, dass die Konzernchefin nicht zu viele Boulevardzeitungen las. »Nicht dass ich wüsste.«
»Wie auch immer. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe noch ein paar wichtige Gäste zu begrüßen.«
Luise Manstein wandte sich augenzwinkernd ab, und Sara spuckte hörbar ihren Prosecco aus. »God gracoius, meine Hochachtung!«, äffte sie Steven nach. »Mehr als spektakulär! Mann, der sind Sie ja gewaltig in den Hintern gekrochen. Wenn Sie mich fragen, will die alte Schabracke heute noch mit Ihnen ins Bett.« Sie sprach weiter im gekünstelten Falsett. »Kennen wir uns von früüüüher? Dass ich nicht lache!«
»Was für ein Unsinn! So etwas nennt man Höflichkeit, Frau Lengfeld. Ein Wort, das Ihnen offenbar fremd ist.« Grimmig biss Steven in sein Lachsbrötchen. Gerne hätte er sich mit Luise Manstein noch ein wenig länger über Ludwig unterhalten. Dass sie sich so brüsk von ihm verabschiedet hatte, ärgerte ihn mehr, als er Sara zeigen wollte.
Plötzlich erklang von rechts Applaus. Er kam aus der Richtung, wo der Zauberer soeben ein paar weiße Tauben aus seinem Zylinder gezaubert hatte. In seinem schwarzen Schoßfrack und dem weiß geschminkten Gesicht sah der Mann aus wie ein Varieté-Künstler aus einem früheren Jahrhundert. Steven ertappte sich wieder einmal bei dem Gedanken, dass er gerne in dieser Zeit gelebt hätte. Ohne Laptop, Handy und Powerpoint-Präsentation. In einer Welt, in der die Herren noch Zylinder und Frack trugen wie dieser geschminkte Zauberer.
Der Zauberer …
Irgendetwas irritierte Steven, deshalb sah er noch einmal genauer hin. Im selben Augenblick drehte der Fremde mit dem Zylinder seinen Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Das Gesicht des Zauberers strahlte weiß vor Schminke, Augenbrauen, Lider und Lippen leuchteten in einem nassen Schwarz, was ihm, mit Frack und Hut, das unheimliche Aussehen einer Mensch gewordenen Vogelscheuche gab.
Steven zuckte zusammen. Er kannte den Mann!
Er wusste nicht, woher, aber er war sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben.
»Sara«, flüsterte er mit trockener Stimme. »Der Zauberer dort drüben. Ich glaube, ich bin ihm schon mal begegnet.«
Sara zuckte gelangweilt mit den Schultern. »Im Zirkus vielleicht?«
»Nein, nein. Irgendwo anders. Ich glaube, er beobachtet uns.«
»Sind Sie sicher?«
Steven
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