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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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ertönte.
    »Nun kommen Sie schon, Sie Nervensäge. Bevor ich es mir wieder anders überlege.«
    Steven atmete erleichtert auf. Die Frau hatte nicht einmal nach seinem Presseausweis gefragt. Er folgte ihr in die Höhle, die zunächst nur ein schmaler Gang mit einzelnen Felsnischen war, der sich schließlich nach hinten zu einem Saal vergrößerte. Alles war genauso wie in Marots Tagebuch beschrieben. Das goldene Muschelboot dümpelte auf dem See, weiter hinten war das Gemälde aus der Tannhäuser-Oper zu sehen, davor befand sich eine kleine Bühne aus künstlichem Gestein. Nur die Beleuchtung, der Wellengang und die Schwäne fehlten.
    »Es … es ist magnificent!«, schwärmte Steven, während er verzweifelt nach einem Hinweis Marots Ausschau hielt.
    »In der Tat. Eine grandiose Täuschung und ein Meisterwerk der Technik«, sagte die Frau und deutete auf die Stalaktiten an der Decke. »Das Ganze hier ist nichts weiter als Leinwand, die mit Zement bespritzt wurde. Es gab eine Maschine, die Wellen erzeugte, und einen Regenbogen-Projektionsapparat. Die Beleuchtungsanlage, die für das rote und blaue Licht in der Grotte zuständig war, wurde von 24   Dynamos der Firma Siemens angetrieben.«
    »Dynamos? Beleuchtungsanlage?« Steven war irritiert. »Ich dachte, der König lebte im 19. Jahrhundert …«
    »Und war seiner Zeit weit voraus«, unterbrach ihn die Fremde. »In Schloss Neuschwanstein steht eine der ersten Telefonanlagen, die Mondlampe seines Schlittens lief mit Batterie, sogar ein Fluggerät wollte er bauen. Ludwig hat versucht, Technik und Natur zu einem Ganzen zu vereinen.«
    »Sie kennen sich offenbar gut damit aus«, sagte Steven lächelnd. »Ist das Hobby oder Beruf?«
    Die Frau verzog ihre Lippen zu einem schmalen Lächeln. »Berufung, wenn Sie so wollen. Nur wer die Wurzeln der Technik kennt, weiß um ihre Zukunft.«
    »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz«, erwiderte der Antiquar. »Sind Sie denn für die Wartung dieser Grotte zuständig?«
    Jetzt lachte die Frau tatsächlich, ein leises glucksendes Geräusch wie von einem sprudelnden Bach. »Nicht ganz, ich beschäftige mich eher mit Computern.« Sie verbeugte sich leicht. »Luise Manstein von Manstein Systems.«
    Steven wäre beinahe der Notizblock aus der Hand gefallen. »Sie … Sie sind Herr, äh … Frau Manstein?«, stotterte er. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Anzug der älteren Dame perfekt geschnitten war und sie ein teures Parfum trug. »Aber ich dachte …«
    »Dass ich ein Mann bin.« Die Konzernchefin nickte. »Mit diesem Vorurteil müssen Frauen in Führungspositionen immer rechnen. Tatsächlich ist mein teurer Gatte schon vor über zehn Jahren gestorben. Seitdem führe ich die Geschäfte, und ich wage zu sagen, das gelingt mir gut.« Sie beobachtete ihr Gegenüber scharf. »Unser Umsatz ist in dieser Zeit um beinahe fünfzig Prozent gewachsen, und wir haben uns erheblich erweitert.«
    »Verzeihung, dass ich …«
    Luise Manstein winkte ab. »Vergessen Sie’s. Meine Zeit ist knapp. Wie Sie vermutlich wissen, plane ich für heute Abend ein intimes Geburtstagsfest. Auch hier drinnen ist einiges geplant. Also, wenn Sie noch etwas wissen wollen, dann beeilen Sie sich bitte.«
    »Natürlich.«
    Beflissen zückte Steven seinen Bleistift und überlegte angestrengt, wo Theodor Marot einen Hinweis versteckt haben könnte. Noch einmal ging er im Kopf alles durch, was der medizinische Assistent über die Grotte geschrieben hatte.
    Des Königs liebstes Spielzeug … der Muschelkahn … das rote und blaue Licht … das Gemälde aus dem Tannhäuser …
    Unwillkürlich zuckte der Antiquar zusammen. Tatsächlich hatte Marot ziemlich ausführlich über das Bild geschrieben. Sollte also darauf etwas versteckt sein? Vielleicht ein Motiv, das ihn und Sara weiterbrachte? Eine Sagengestalt aus dem Themenkreis der Liebe, die sie vergessen hatten? Irgendein Name?
    »Äh, das Gemälde dort drüben.« Er deutete auf die große Leinwand, auf der ein schöner, entrückt wirkender Mann zu sehen war, umgeben von halbnackten Frauen und Putten. »Was bedeutet es?«
    Luise Manstein hob die rechte Augenbraue. »Interessant, dass Sie gerade danach fragen. Es heißt ›Tannhäuser bei Frau Venus‹ und zeigt den ersten Akt der berühmten Wagner-Oper. Der Ritter und Minnesänger Tannhäuser besucht die heidnische Gottheit und bleibt in ihrer Höhle.« Sie deutete auf die Stalaktiten an der Decke. »Dieser Saal ist der Venushöhle und zugleich der blauen Grotte von

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