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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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er hatte schon zu viele Gäste und zu viele rauschende Partys gesehen. Doch als Lancelot sich zu ihm hinunterbeugte, hielt er unwillkürlich den Atem an.
    »Sie … Sie wünschen?«, stotterte er.
    »Meine Frau hat hier ein Zimmer, gemeinsam mit ihrem Geliebten, wenn Sie verstehen, was ich meine …« Lancelots Lippen verzogen sich zu einem bedrohlichen Grinsen. »Die Schlampe ist brünett, trägt ein am Rücken ausgeschnittenes Ballkleid und so ein nuttiges rotes Jäckchen. Ich hätte gern den Zimmerschlüssel.«
    »War das … Ihr Nebenbuhler?«, fragte der Portier zaghaft und deutete auf das blutige Taschentuch auf Lancelots rechter Gesichtshälfte. Als der Riese nickte, händigte ihm der Mann zitternd den Schlüssel aus.
    »Zimmer 113«, flüsterte er und malte sich insgeheim aus, was das Monstrum oben im Hotelzimmer demnächst mit seiner Gattin anstellen würde. Vielleicht sollte man doch die Polizei rufen?
    Ohne ein weiteres Wort rannte Lancelot nach oben. Als er sah, dass die Tür sperrangelweit offen stand, wusste er, dass er zu spät gekommen war.
    Verflucht! Sie sind weg!
    Das Zimmer war leer, die Betten ungemacht, zwei schmutzige Teller und Weingläser standen auf dem Tisch, sonst nichts. Nur auf dem Boden vor der Tür lag etwas, das aussah, als wäre es bei der überstürzten Flucht vergessen worden. Lancelot bückte sich und hob es auf.
    Es war ein Kuvert mit zerknitterten Prospekten. Sie zeigten in bunten Farben die drei Ludwigschlösser Linderhof, Herrenchiemsee und Neuschwanstein. Die Prospekte wirkten so zerlesen, als hätte sich jemand lange damit beschäftigt.
    Plötzlich fiel Lancelot noch etwas ein, was die Frau vorhin gesagt hatte.
    Wenn etwas versteckt wurde, muss es woanders sein …
    Lancelot lächelte. Für einen kurzen Moment waren die Schmerzen in seiner Augenhöhle vergessen. Er steckte die Prospekte ein und begab sich nach unten, um den Arzt zu rufen.
    Das Flittchen würde sich noch wünschen, nie geboren worden zu sein.

16
    E s war das letzte Gebäude eines Weilers irgendwo im bayerischen Allgäu. Direkt am Waldrand stand ein windschiefes, geducktes Haus mit einem kleinen Vorgarten, in dem die letzten Sonnenblumen des Jahres blühten. Mit seinem verwitterten Zaun, den himmelblau gestrichenen Fensterläden und dem alten Steinkamin, aus dem zäher schwarzer Rauch wehte, erinnerte es Steven an ein Hexenhäuschen. Fast glaubte er, von irgendwoher den Geruch von Pfefferkuchen wahrzunehmen. Es war früher Morgen, hinter den nebelverhangenen Bäumen ging langsam die Sonne auf.
    »Hier also soll der führende Ludwig-Experte Bayerns wohnen?«, fragte Steven skeptisch. »Ich hätte eher an ein Schlösschen oder eine Villa aus der Gründerzeit gedacht.«
    »Albert Zöller ist vielleicht ein wenig eigenartig, aber in Sachen Märchenkönig macht ihm keiner etwas vor.« Sara massierte sich müde die Schläfen und unterdrückte ein Gähnen. »Fast jeder, der ein Buch über Ludwig II. schreibt, pilgert früher oder später hierher. Sein Wissen ist legendär. Halten Sie da vorne an der alten Eiche.« Sie deutete auf einen verkrüppelten Baum unweit des Hauses. »In den letzten Jahren hat sich Onkel Lu immer mehr zurückgezogen. Wir wollen ihn nicht unnötig verängstigen.«
    »Durch ein Auto?« Steven zog verwundert die Augenbrauen hoch.
    »Sagen wir, wahrscheinlich wäre es ihm lieber, wenn wir mit der Pferdedroschke kämen. Aber Sie gehen ja schon mal ganz gut als Gentleman der alten Schule durch.«
    Die Kunstdetektivin lächelte, während Steven prüfend an sich herunterblickte. Er hatte beschlossen, den Abendanzug vom gestrigen Schlossfest anzubehalten, der ihm weitaus besser gefiel als die schlabbrigen Klamotten von Saras Exfreund. Darüber trug er einen enggeschnittenen schwarzen Mantel, den sie letzten Nachmittag noch in Garmisch gekauft hatten. Tatsächlich sah der Antiquar ein wenig aus wie ein in die Jahre gekommener Kavalier aus der Gründerzeit.
    Fehlen nur noch Zylinder und Gehstock, dachte er. Mein Großvater wäre stolz auf mich.
    Sara hatte sich umgezogen. Ihr grünes Wollkleid und die Kapuzenjacke waren ein wenig zerknittert, was vor allem daran lag, dass sie die letzten Stunden im Auto auf einem Rastplatz neben der Landstraße zugebracht hatten. Doch nach zwei Zigaretten und einem Pappbecher Kaffee in einer Allgäuer Tankstelle machte die Kunstdetektivin mittlerweile wieder einen bemerkenswert frischen Eindruck.
    »Sind Sie wirklich sicher, dass wir diesen Zöller in unsere

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