Die Ludwig-Verschwörung
über mit kleinen bunten Glühbirnen geschmückt, die den Vorplatz in ein warmes Licht tauchten. Sowohl draußen wie auch im Inneren tummelten sich laut lachende Partygäste. An der Hotelbar konnte Sara einen beleibten und sichtlich betrunkenen Tenor Baldoni mit zwei giggelnden Blondinen erkennen, ältere Paare wiegten sich im blauweiß dekorierten Frühstückssaal zum Takt eines Strauss-Walzers. Mit all den festlich gekleideten Gästen schien das gestern noch so verschlafen wirkende Hotel in einem unheimlichen Glanz zu erstrahlen.
Sara hastete die Treppenstufen nach oben und verharrte kurz vor der Tür zu ihrem Zimmer. Sie hielt ihr Ohr an das dünne Holz, konnte dahinter aber nichts Verdächtiges hören. Schließlich sperrte sie leise auf, drückte die Klinke, und die Tür schwang lautlos nach innen.
Das Zimmer war leer.
Erleichtert lief Sara zum Wandsafe, der sich direkt hinter der Tür befand. Sie öffnete ihn und holte das Tagebuch hervor; das Schatzkästchen, ihren Laptop und Stevens Notizen hatten sie zuvor noch gemeinsam unter der Matratze versteckt. Noch einmal horchte sie, ob sich irgendwer die Treppe heraufschlich. Vom Erdgeschoss her klangen Musik und Gelächter zu ihr, doch sonst blieb es still.
Zusammen mit ihren wenigen Kleidungsstücken stopfte Sara Buch, Kästchen und alles andere in ihren kleinen Koffer. Die Pistole des toten Bernd Reiser packte sie sicherheitshalber in ihre Handtasche. Dann schloss sie leise den Reißverschluss des Koffers und wandte sich wieder der Tür zu, wo sie in der Dunkelheit beinahe mit einem Mann zusammengestoßen wäre. Ein heiserer Schrei entwich ihr, bevor sie erleichtert ausatmete.
Es war Steven Lukas.
»Wir müssen reden, Frau Lengfeld«, keuchte der Antiquar mit sich überschlagender Stimme. »Die Guglmänner, sie haben uns aufgelauert! Es war der Zauberer! Außerdem weiß ich jetzt, was das Schlüsselwort ist! Es ist …«
»Wunderbar. Das können Sie mir alles im Auto erklären. Kommen Sie jetzt!«
Steven sah sie erstaunt an. »Aber wieso …?«
»Weil sich ein zwei Meter großer Ritter heftigst für das Buch interessiert und ich ihm ein Auge ausgestochen habe, darum.« Sara rannte bereits mit dem Koffer die Treppe hinunter. »Alles Weitere erkläre ich Ihnen während der Fahrt. Jetzt machen Sie schon!«
Kopfschüttelnd folgte ihr Steven. Sie bahnten sich einen Weg durch die tanzenden, schrill lachenden Festgäste im Foyer, hasteten über den Vorplatz und ließen sich schließlich erschöpft in Saras Mini-Cooper fallen. Einige Sekunden lang waren nur ihr Atem und die leise Melodie eines Walzers zu hören. Das Hotel leuchtete zwischen den Bäumen wie ein gigantischer, mit Tausenden von Kugeln behängter Christbaum; schon wenige Meter dahinter herrschte tiefste Dunkelheit.
»Sie haben also den Code gefunden?«, fragte Sara schließlich und startete den Motor. Mit zitternden Fingern legte sie den ersten Gang ein. »Wie schön. Dann können wir dieses Schloss mit seinen Verrückten ja jetzt endlich hinter uns lassen. Einäugige Riesen, Zauberer, fette Tenöre … Was für eine degenerierte Gesellschaft!«
Mit quietschenden Reifen bog der Mini um die Ecke des Hotels.
Eine halbe Stunde später rollte der Wagen durch die Dunkelheit der Ammergauer Alpen, und Sara war bei ihrer dritten Mentholzigarette angekommen. Wie schweigende Riesen standen die Tannen links und rechts der Straße, nur selten kam ihnen ein Auto entgegen. Das einzige Geräusch war das leise Surren des Motors.
Sie hatten sich gegenseitig erzählt, was im Park geschehen war, und Steven hatte ihr zudem seine Vermutung über das Schlüsselwort mitgeteilt. Mittlerweile saß die Kunstdetektivin auf dem Beifahrersitz, auf ihrem Schoß das neue Macbook, die Schrift des Monitors flimmerte gespenstisch in der Nacht. Sie fröstelte. Die Erinnerung an den Riesen im Laubengang ließ sie noch immer zittern.
»Und Sie sind sich sicher, dass der Zauberer der Typ im Trachtenanzug aus Ihrem Antiquariat war?«, fragte Sara noch einmal nach.
Steven nickte und steuerte das Auto durch dichte Wälder. »Todsicher. Er ist der Anführer der Guglmänner. Als ich geflohen bin, hat er mir seine Kapuze gezeigt.«
»Aber warum sollte er so was tun?«
»Was weiß ich? Um mir einen Schrecken einzujagen? Uns klarzumachen, dass sie uns auf den Fersen sind?«
Sara seufzte. »Einen Schrecken hat mir dieser Ritter auf alle Fälle eingejagt. Vermutlich ist er so was wie ein Wachhund dieser Irren und soll für sie das Buch
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