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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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»Lieber Himmel, Theodor! Red doch nicht immer so gestelzt daher! Außerdem hast du zwei linke Hände, da tätest du dir nur die Finger abschneiden.«
    Sie entwand sich meinem Griff und rannte lachend voraus. Und ich liebeskranker Narr lief ihr mit gestärktem Hemd und viel zu warmem Rock hinterher, bis mir die Schweißperlen auf der Stirn standen und ich japsend einmal mehr meine Niederlage eingestehen musste.
    Es war in diesen Tagen, dass die Eifersucht in mir zu nagen begann wie ein unersättliches kleines Tier. Wohl ein halbes Dutzend Mal verschwand Maria mit Wein, Brot und Geräuchertem in der Venusgrotte, wo der König sie erwartete, um dort sein Diner einzunehmen. Ich wusste, dass Ludwig gerne Menschen aus dem einfachen Volk um sich hatte, die er dann nach ihrem Befinden fragte und ihnen kleine Geschenke machte. Maria war nicht die Einzige, auch Stallburschen und Kutscher besuchten ihn zuweilen – trotzdem quälte mich der Gedanke, Maria mit Ludwig allein zu wissen, und so fing ich sie einmal am Eingang der Grotte ab, um sie zur Rede zu stellen.
    »Und? Wie ist das Befinden Seiner werten Exzellenz?«, erkundigte ich mich so beiläufig wie möglich. »Genießt ihr beiden den Wein? Mundet Ludwig dein gebeizter Hirschschlegel?«
    Maria sah mich überrascht und verletzt an, doch schon bald hatte sie sich wieder gefangen. »Der König hat wie so oft Zahnschmerzen«, sagte sie im sachlichen Ton. »Ich schneid ihm das Fleisch klein, damit er es besser essen kann. Das ist alles.«
    »Du könntest es ihm auch vorkauen, damit es noch zarter wird.«
    Mit einem Mal zeigte sich auf ihrer Stirn wieder jene Zornesfalte, die ich schon bei unserem ersten Treffen an ihr bewundern durfte. »Was fällt dir ein, Theodor!«, zischte sie. »Wer hat dir erlaubt, so mit mir zu sprechen? Du kennst weder mich noch den König, und trotzdem schüttest du Spott über ihn aus! So wie all die anderen!«
    »Und wenn etwas Wahres hinter all dem Spott ist?«, fragte ich kühl. Meine Wut trug mich blindlings fort. »Die Leute zerreißen sich nicht ohne Grund das Maul. Glaub mir, ich weiß aus sicherer Quelle, dass dein geliebter König kurz davor steht, im Irrenhaus zu landen. Und mit all seinen Eskapaden, mit dieser Grotte hier, mit seinen Germanenspielchen in der Hundinghütte, seinen nächtlichen Ausritten schaufelt er sich Stück für Stück selbst sein Grab!« Meine Stimme war nun so laut, dass ich befürchten musste, noch in der Venusgrotte gehört zu werden. »Siehst du denn nicht, wie er seinen Feinden damit in die Hände spielt?«, rief ich. »Und du fütterst ihn auch noch, als wäre er ein alter Hund!«
    Marias Gesicht war nun kreideweiß. »Schweig!«, flüsterte sie tonlos. »Was weißt du schon vom König? Was wisst ihr alle? Erst gestern haben sie unten im Wirtshaus erzählt, der König esse mit seinem Pferd zu Abend! Was für ein Schmarren!« Sie schüttelte empört den Kopf. »Ihr klaubt ein paar Geschichten auf und macht daraus einen großen Popanz. Nur, weil ihr Ludwig nicht versteht, ist er noch lange kein Irrer!«
    Zornig stapfte sie von dannen und ließ mich mit offenem Mund stehen. Langsam merkte ich, wie der Hass aus mir fuhr und mich als ein jämmerliches leeres Bündel zurückließ.
    »Maria, es tut mir leid!«, rief ich ihr hinterher. »Ich hab das nicht so gemeint! Komm zurück!« Doch sie war bereits zwischen den Bäumen verschwunden.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder mit mir sprach. In dieser Zeit brodelte meine Eifersucht weiter und bekam schon bald neue Nahrung.
    Schon zwei Mal hatte ich Maria mit dem kleinen Leopold nach Oberammergau hinübergehen sehen, doch nun häuften sich die Ausflüge. Von diesen Wanderungen kehrte sie jedes Mal mit besonders düsterer Miene zurück, und so beschloss ich, den beiden bei nächster Gelegenheit heimlich zu folgen. Ihr Weg führte sie über schmale Kuhsteige unterhalb des Pürschlings durch das Graswangtal und endete erst nach einigen Stunden an einem winzigen Häuschen am Rand des Dorfes, wo ihnen ein etwa vierzigjähriger Mann mit grimmigem Gesicht und wildem schwarzen Vollbart die Tür öffnete. Rund um das Haus spielten Kinder, die der Mann mit herrischer Geste davonscheuchte, bevor er Maria schließlich in die Stube winkte. Eine andere Frau sah ich von meinem Versteck aus nicht, wohl aber eine flatternde Wäscheleine und Stickzeug auf einer Gartenbank. In einer fast rührend hilflosen Geste fiel Leopold dem Mann um den Hals, und die Tür schloss sich hinter den

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