Die Ludwig-Verschwörung
Sie auf ein paar ausgesuchte Herrschaften treffen. Folgen Sie mir unauffällig.«
Vorbei an bunten Glaskugeln, welche Bedienstete auf Befehl des Königs überall im Garten auf Stangen gesteckt hatten, betraten wir über einen Laubengang den kleinen abgelegenen Nebenbau, der für die Besucher des Königs vorgesehen war. Im Gang kam uns mein Mentor Dr. Schleiß von Loewenfeld entgegen, der hier früher des Öfteren gewohnt hatte. Schweigend und auf einen Spazierstock gestützt führte er uns in ein schlichtes Beratungszimmer. Dann verschloss er vorsichtig die Tür.
Als ich mich im Raum umsah, erblickte ich neben dem königlichen Leibarzt und dem Grafen Dürckheim noch zwei weitere Männer, die rauchend am Kamin standen. Der eine war der Stallmeister Richard Hornig, ein langjähriger treuer Freund Ludwigs, der dem König als Reitgefährte und Kutscher diente. Den anderen, einen blassen hageren Enddreißiger im hellen Sommeranzug und mit Zigarette und Strohhut, erkannte ich erst auf den zweiten Blick. Es war der Münchner Maler Hermann von Kaulbach, der für den König schon etliche Modellzeichnungen gefertigt hatte und ihm in bedingungsloser Treue ergeben war. Als Loewenfeld mein Erstaunen über diese merkwürdige Zusammenkunft sah, hob er beschwichtigend die Hände.
»Keine Angst, junger Kollege«, beruhigte er mich und lehnte sich auf seinen Gehstock. »Wir sind hier unter Freunden.« Er lächelte müde. »Vielleicht die letzten Freunde, die der König noch hat.«
Der fast achtzigjährige Dr. Loewenfeld schien in den letzten Monaten um Jahre gealtert zu sein. Noch immer trug er einen altmodischen Backenbart wie der vor zwanzig Jahren ermordete amerikanische Präsident Lincoln. Doch seine Haare waren mittlerweile schlohweiß geworden, tiefe Falten hatten sich um seine Augen gegraben. Loewenfeld war bereits Leibarzt von Ludwigs Vater Maximilian II. gewesen und ein treuer Freund der Wittelsbacher, der nun zusehen musste, wie das bayerische Königreich vor die Hunde ging.
»Und?«, wandte sich Graf Dürckheim mit schneidender Stimme an mich. »Haben Sie den König überzeugen können, dass er handeln muss?«
Ich schüttelte schweigend den Kopf, woraufhin der Graf wissend nickte. »Wie ich mir bereits gedacht habe. Aber wenigstens wissen wir jetzt, was gespielt wird. Eine Intrige, unterstützt vom preußischen Geheimdienst, mit der Absicht, den König für verrückt erklären zu lassen. Das ist nichts anderes als Hochverrat!« Er führte die Hand zur Offiziersmütze. »Ich habe Ihnen zu danken, Marot. Sie haben dem Land einen unschätzbaren Dienst erwiesen.«
»Einen Dienst, der leider nichts nützt«, erwiderte Dr. Loewenfeld seufzend und ließ sich in einen der Stühle neben den Kamin fallen. »Solange Ludwig nur in seinen Träumen lebt, wird er seinen Feinden ins offene Messer rennen. Der Ministerratsvorsitzende Lutz hat bereits Kontakt zum Prinzen Luitpold aufgenommen. Ludwigs Onkel ist einverstanden, die Regentschaft zu übernehmen.«
»Der König hat es selbst in der Hand«, warf der Maler Kaulbach ein und zog am dünnen Mundstück seiner Zigarette. »Wenn er nach München geht und sich dem Volk zeigt, wird es keiner wagen, ihn für verrückt zu erklären. Aber so …« Er machte eine bedeutungsschwere Pause. »Wenn er weiter bei Mondschein durch die Berge kutschiert und seine Märchenschlösser baut, spielt er den Ministern in die Hände. Lutz lässt über die Zeitungen Gerüchte streuen, in den Wirtshäusern singen sie bereits Schmählieder, und keiner greift ein!«
Stallmeister Hornig nickte verbittert. »Die Lakaien am Hof zerreißen sich das Maul. Ich habe gehört, dass sie zerrissene Dokumente aus den Papierkörben des Königs klauben, in der Hoffnung, auf belastendes Material zu stoßen. Das reichen sie dann an den Hundsfott Lutz weiter.«
»Wem können wir noch trauen?«, fragte ich zaghaft in die Runde.
»Außer uns fünfen?« Graf Dürckheim lachte verzweifelt. »Ich würde für keinen anderen mehr meine Hand ins Feuer legen. Graf von Holnstein wiegelt noch die letzten Getreuen gegen den König auf.«
»Die Drecksau!« Richard Hornig spuckte in den erloschenen Kamin. »Und das, wo er dank Ludwig eine hübsche Summe von Bismarck überwiesen bekommen hat!«
Ich konnte den Zorn Hornigs auf seinen Vorgesetzten verstehen. Der königliche Oberstallmeister Max Graf Holnstein war einst ein Spielkamerad des jungen Königs gewesen. Doch Holnstein war machthungrig und geldgierig, ein
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