Die Ludwig-Verschwörung
dreien.
In mir mischten sich Trauer, Erleichterung und Scham. Wie hatte ich nur denken können, dass Maria und der König eine heimliche Liaison hatten! Es war viel einfacher und zugleich tragischer. Der kleine Leopold war ganz offensichtlich ein Bastard, von seinem Vater nur geduldet, wenn die Ehefrau in der Kirche oder auf dem Markt weilte. Ich wagte zu bezweifeln, dass Maria den grimmigen Bauern noch immer liebte. Das Kind war wohl ein Unfall gewesen, vermutlich bekam sie von ihm heimlich Geld zugesteckt. Meine Hoffnung wuchs erneut.
Kurz darauf schien Maria mir verziehen zu haben, sie sprach wieder mit mir, allerdings meist belangloses Zeug. Es sollte noch eine ganze Weile vergehen, bis wir erneut so vertraut waren wie vor dem Streit an der Grotte.
Es verstrich der September, der ungewöhnlich warm und freundlich war und so gar nicht zu den politischen Gewittern passen wollte, die in jener Zeit über Bayern fegten. Noch drei Mal versuchte ich mit Ludwig über das psychiatrische Gutachten Dr. Guddens und einen möglichen Staatsstreich der Minister zu sprechen, doch jedes Mal stieß ich bei ihm auf eine Mauer des Schweigens. Wenigstens schien mir der KOENIG meinen Affront auf der Plattform der Linde verziehen zu haben. Ich las ihm nachts Edgar Allan Poe und Homers Odyssee vor, leistete ihm beim Souper Gesellschaft und begleitete ihn auf einer mehrtägigen Kutschfahrt zum Schachen oder auf einer Wanderung hinauf zu den Brunnenkopfhäusern. Dabei verriet er mir, dass sein neues Schloss auf HERRENCHIEMSEE gute Fortschritte mache und er sich freuen würde, mir schon bald die dortigen Bauarbeiten zeigen zu dürfen. Auch frönte ich mit ihm seiner neuen Leidenschaft des Fotografierens. Dabei entstanden ein paar anrührende Aufnahmen von uns beiden, die ich für immer nah an meinem Herzen tragen will. Denn trotz seiner skurrilen Momente, die nun im Nachhinein als Wahnsinn gedeutet werden, war er doch ein wahrer König, vielleicht der letzte seiner Art. Ich liebte ihn, wenn auch auf andere Art, wie Maria.
G, NFTQM
Wie groß war meine Freude, als ich hörte, dass Maria unseren Tross nach Berg als Küchenmagd begleiten sollte. Am Abend des 27. September brachen wir endlich Richtung Würmsee auf, zu diesem wahrhaft majestätischen See südlich von München, der von immer mehr Einheimischen einfach der Starnberger See genannt wird. Es war ein langer Zug von Menschen, Droschken und Pferden, angeführt von der Kutsche des Königs. Schweigend saß Ludwig in einem märchenhaften Gefährt, das über und über mit goldenen Figuren und Schnörkeln verziert war und von vier weißen Rössern gezogen wurde. Wie so oft reisten wir nachts, und ich musste an die Balladen denken, in denen die Elfen und Feen bei Dunkelheit durch die Wälder ziehen und jeden verzaubern, der ihrer gewahr wird. Eines schien sicher: Die wenigen Menschen, die uns in jener Nacht sahen, würden noch ihren Enkeln davon erzählen, dass sie einem wahren Märchenkönig begegnet waren.
Am frühen Vormittag erreichten wir schließlich Schloss Berg am Ostufer des Starnberger Sees, ein kleines Domizil der Wittelsbacher, in dem Ludwig die vielleicht glücklichsten Tage seiner Jugend verbracht hatte und das ihm bis zuletzt als Sommerresidenz diente. Das Schloss selbst war eher schlicht, eine Art kleine Burg mit Erkern, Zinnen und einem finster wirkenden Turm. Wie bei meinen vorherigen Besuchen war ich auch diesmal wieder erstaunt über die ländliche Atmosphäre, die hier herrschte. In den Gängen und im Garten trieb sich allerlei Hausgesinde nebst Küchenjungen und Zimmermädchen herum. Es roch nach Eintopf, Pferdemist und ätzenden photographischen Ingredienzien. Nur die beiden oberen Stockwerke, in denen Ludwig und seine Mutter residierten, waren ein wenig prunkvoller gestaltet, wenn sie auch nicht im Geringsten den Zimmern in Linderhof glichen.
Maria fühlte sich hier sofort wohl. Sie half den Dienern, die persönlichen Habseligkeiten des Königs ins Haus zu tragen, und lief dann mit Leopold durch einen Laubengang hinunter zum See. Schon wollte ich ihr folgen, da sah ich neben der kleinen Fontäne auf dem Vorplatz den Grafen Dürckheim in Offiziersuniform stehen. Er wirkte sehr ernst und winkte mich schweigend zu sich.
»Meine Verehrung«, begrüßte ich ihn hastig. »Ich hoffe, meine Depesche hat Sie …«
Dürckheim legte den Finger an die Lippen und befahl mir zu schweigen. »Nicht hier!«, zischte er. »Wir gehen hinüber in den Kavaliersbau. Dort werden
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