Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
vielmehr doch.« Plötzlich beschloss er zu reden, er hatte schon viel zu lange nicht darüber geredet. Schon viel zu lange war er mit seinen Erinnerungen allein gewesen.
    »Es … es gab einen Unfall.« Sein Mund war plötzlich staubtrocken. Die Vergangenheit schlug wie eine Welle über ihm zusammen. So lange hatte er die Bilder zurückgedrängt, doch jetzt waren sie wieder da. Übelkeit stieg in ihm hoch, seine Kehle zog sich zusammen. »Meine Eltern … Sie sind sehr früh gestorben«, flüsterte er. »Ich war noch ein Kind.«
    Er erhob sich unsicher und ging ein paar Schritte auf und ab. Einen Moment lang fühlte er sich wie auf einem schaukelnden Schiff auf hoher See.
    »O Gott, das tut mir leid!« Sara sprang auf und umklammerte seine Schultern. »Warum habe ich nur gefragt!«
    »Sie konnten es ja nicht wissen.« Steven blieb direkt unter der Krone einer Buche stehen und blickte in die Äste über ihm. Ein einzelnes rotes Blatt segelte auf ihn herab. Schließlich versuchte er ein leises Lächeln. »Außerdem sollte ich mit vierzig eigentlich darüber hinweggekommen sein oder mir endlich einen Therapeuten leisten.«
    »Über manche Dinge kommt man nie weg, nicht mal mit Therapeut.« Sie streichelte ihm über die Wangen, und er merkte, wie gut ihm das tat. »Und glauben Sie mir, wir alle haben unsere schwarzen Löcher«, fuhr Sara leise fort. »Schauen Sie nur mich an. Ich bin ein ganzes Bündel von Komplexen. Das kriegt der beste Psychiater nicht mehr hin.«
    Steven musste unwillkürlich schmunzeln. »Dafür müssten Sie allerdings erst mal jemanden an sich ranlassen«, erwiderte er. »Können Sie das überhaupt?«
    »Es käme auf einen Versuch an.«
    Sanft fuhr Sara ihm durch die Haare. Plötzlich waren ihre Lippen an den seinen, nur ganz flüchtig, trotzdem stellten sich Steven sämtliche Nackenhaare auf. Gleich darauf war der Moment vorüber.
    »Ich … ich fürchte, das ist nicht der richtige Zeitpunkt für so etwas«, sagte Sara und wich einen Schritt zurück, ganz so, als wäre sie selbst erschrocken über das, was sie gerade getan hatte. Zum ersten Mal bemerkte Steven so etwas wie Verlegenheit in ihrem Blick.
    »Da … haben Sie wohl recht«, erwiderte er nach einer Ewigkeit und wischte sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht. »Ich … ich bin wohl zurzeit etwas nervös …«
    Sara lachte. »Kein Wunder, wenn man als Schwerverbrecher gesucht wird! Ich nehme an, das sind mildernde Umstände.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Wir könnten uns wenigstens duzen. Schließlich sind wir ja so was wie eine Schicksalsgemeinschaft.«
    »Sie … äh, du hast recht. Das sind wir wirklich.«
    »Vielleicht sogar ein bisschen mehr.« Sie lächelte leise. »Sara und Steven, das klingt richtig gut. Ich finde, das sollten wir besiegeln.«
    »Besiegeln? Womit denn?«
    Sara zog genervt die Augenbrauen nach oben. »Na, womit wohl, du Hornochse? Mit einem richtigen Kuss! Der vorhin war ja höchstens ein Hauch.«
    Sie nahm seinen Kopf zwischen die Hände und küsste ihn entschlossen auf den Mund.
    Es war besser als ein Buch von Voltaire.
    Viel besser.

    Die weiße Yacht dümpelte auf den kleinen kristallblauen Wellen des Chiemsees, während Möwen kreischend über das Deck flatterten. Es herrschte ein starker Fönwind, so dass es aussah, als würden die mit Schnee überzuckerten Alpen direkt am Ufer stehen.
    Lancelot kauerte nach vorn gebeugt in einem viel zu schmalen Deckchair und ließ seinen Blick über die Ausstattung des Schiffes schweifen. Jeder der zwei Motoren am Heck hatte 435 PS, der Dieseltank fasste gut und gern 1600 Liter. Mit fünfzehn Metern hatte die Yacht in etwa die Länge, die Lancelot für sein Schiff geplant hatte, er selbst würde sich zudem bei der Inneneinrichtung für Palisander anstelle von Teak entscheiden und einen vernieteten Aluminiumsessel zum Hochseefischen einbauen lassen. Aber alles in allem war die Yacht in etwa das, was Lancelot sich unter einem erfüllten Lebensabend vorstellte. Abgesehen von den Mädchen in hautengen Tangas natürlich, auch wenn die vor seinem neuen Aussehen vielleicht ein wenig Angst haben würden. Die schwarze Augenklappe, die Lancelot mittlerweile trug, ließ ihn, in Verbindung mit dem schwarzen Haarzopf und dem Schmiss auf der rechten Wange, aussehen wie einen bösen Piratenkapitän. Wie Captain Hook in einer Fassung für Erwachsene.
    Nun ja, Angst hatte ja durchaus was Erregendes …
    So versunken in seine Träume war Lancelot, dass er den Schmerz erst

Weitere Kostenlose Bücher