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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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in München und New York darauf ansetzen. Ihr bekommt die Akte so bald wie möglich. In der Zwischenzeit hol ich Euch das Buch.«
    »Vierundzwanzig Stunden.« Der König drehte seinen Sessel von Lancelot weg und starrte abwesend auf die malerische Alpenkette. »In vierundzwanzig Stunden will ich das Buch und den Mann. Und zwar lebend! Sonst kann Er sein Konto auf den Caymans vergessen.« Er hob die Hand und schnippte mit den Fingern.
    Der einäugige Ritter kletterte über eine Leiter an der Reling in das kleine Beiboot und warf den Motor an. Nur mühsam gelang es ihm, seinen Atem zu kontrollieren. Eine Minute länger auf der Yacht, und er hätte den König vermutlich umgebracht – aber dann wäre natürlich auch das Konto auf den Caymans weg gewesen. Er musste diese Sache jetzt schnell beenden, der Wahnsinn seines Auftraggebers nahm immer größere Ausmaße an. Zunächst hatte sein Verhalten ja nur wie ein Spleen gewirkt, aber mittlerweile konnte Lancelot für nichts mehr garantieren. Er musste weg hier, und zwar schnell. Nur noch dieser Job, und dann winkte die Karibik.
    Denk an die Mädels, den Champagner und das Angeln von Thunfischen. Verdammt große Thunfische. Ihr Blut wird das Meer rot färben …
    Plötzlich fiel Lancelot ein, dass er diesen Antiquar ja lebend ausliefern sollte. Sein Blick fiel auf die kleine Kiste im Heck des Beiboots, und er musste unwillkürlich grinsen. Gut, dass er einiges von der Ausrüstung aus Serbien aufgehoben hatte, er hatte das dumpfe Gefühl, dass er sie heute noch brauchen konnte. Wenigstens würde es so erheblich schneller gehen, der Mann würde nicht die geringste Gelegenheit haben, sich zu wehren.
    Und keiner hatte davon gesprochen, dass auch die Frau lebend die Insel verlassen sollte.

    Zum ersten Mal seit Tagen hatte Steven keine Angst mehr.
    Sie lagen nebeneinander auf einem Teppich aus roten und gelben Blättern und sahen einem Buntspecht zu, der seine Botschaften in monotonem Rhythmus durch den Wald morste. Steven roch das Nikotin, das durch die Poren von Saras Haut drang. Merkwürdigerweise fand er es erregend, wie ein neues Parfum, das er noch nicht kannte.
    Sie hatte ihn lange geküsst und ihm dann mit dem Finger die Lippen verschlossen, so als würde jedes falsche Wort den Zauber zwischen ihnen zerstören. Seitdem lagen sie auf dem Waldboden, redeten über ihre jeweiligen Lieblingslieder, über ihm unbekannte amerikanische Fernsehserien und die dümmsten Wetteransager, sie stritten darüber, was der beste Hitchcockfilm aller Zeiten sei, ›Psycho‹ oder ›North by Northwest‹. Sie redeten über alles, nur nicht über die Gegenwart und auch nicht über ihre eigene Vergangenheit, und für eine knappe Stunde waren Marots Tagebuch, die Guglmänner, der Zauberer und der geblendete Riese weit, weit weg. Erst jetzt merkte Steven, wie lange er mit einem anderen Menschen nicht mehr als nur ein paar Worte gesprochen hatte. Er hatte sich in seine Bücher verkrochen wie in einen Kokon.
    »Wie ist das eigentlich, wenn man ohne Bücher aufwächst?«, fragte er Sara, die neben ihm Bucheckern knackte und genießerisch auf den Kernen kaute.
    Sie lachte. »Ist das der Eindruck, den ich bei dir hinterlasse? Der eines technikgesteuerten weiblichen Nerds?« Kopfschüttelnd sah sie ihn an. »Was denkst du bloß von mir? Es geht mir nur eher um die Inhalte als um die Form. Für was brauche ich eine Bibliothek, wenn ich mir alle diese Bücher auch auf mein E-Book laden kann?«
    »Vielleicht, weil es schön ist, in Büchern zu blättern, sie zu riechen, neben ihnen einzuschlafen?«, murmelte Steven. »Weil Bücher für Kauze wie mich wie Nahrung sind und einfach immer schon da waren? Irgendwie kann ich mich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass all dies schon bald Vergangenheit sein soll.«
    »Du bist ein unverbesserlicher Nostalgiker!«, erwiderte Sara seufzend. »Aber weißt du was? Ich mag das. An dir kann man sich festhalten, wenn die Zeit mal wieder zu schnell an einem vorüberrauscht.« Sie spuckte ein paar Kerne aus. »Davon abgesehen ist es nicht so, wie du vielleicht denkst. Auch ich habe als Kind viel gelesen. Oft bin ich statt in die Schule in die städtische Bibliothek im Wedding, ich hab denen gesagt, ich müsste für eine Hausarbeit lernen.« Gedankenverloren knackte sie eine weitere der trockenen Nüsse. »Ich hab mich in Abenteuerromane gestürzt, um die Welt draußen zu vergessen. Später hat mein Vater dann Bildbände über Malerei nach Hause gebracht. Wenn du nur von

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