Die Lüge im Bett
zieht in großer Höhe vorbei.
Was hinter dieser Schwärze wohl liegt? Was nach dem Leben kommt? Warum wohl jemals ein Einzeller auf die Idee kam, sich weiterzuentwickeln? Alles hätte doch bleiben können, wie es war. Schließlich gibt es den Einzeller heute in seiner Urform auch noch. Worin bestand also die Notwendigkeit?
Mit einem Ruck richtet sie sich auf.
Sie hat in Köln zu schnell kapituliert. Das war der Fehler! Auf dem Rückflug von Rio war sie überzeugt davon, einen anspruchsvollen Film zu machen. Sven hat sie eingeschüchtert, Nic räumte Tanja Tavares' Plädoyer für die Gerechtigkeit gerade mal drei Minuten ein. Dort, in zehntausend Metern Höhe, aber war sie überzeugt davon, daß das Material notfalls für zwei völlig unterschiedliche Filme ausreiche.
Den harmlosen Jugendfilm hat Nic geschnitten. Sie möchte dem Jugendprogramm eine andere Art von Film anbieten. Dazu braucht sie das Material. Dazu braucht sie ... Nadine Hahn fällt ihr ein. Die Weiberconnection.
Das ist es, was sie will.
Sie will etwas Sinnvolles tun. Und wenn sie das geschafft hat, stellt sie sich mit dem Streifen bei Mona Lisa vor. Warum nicht? Oder bei einem anderen Magazin mit Inhalt und Anspruch.
Wer verändern will, muß bei sich selbst anfangen.
Ohne Kompromisse!
Langsam läßt sie sich in ihr Kissen zurücksinken. Ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit überkommt sie. Endlich sieht sie ihren Weg.
Gabriel hat ihr gutgetan.
Nic studiert beim Frühstück den Zettel der Hausbewohner. Nina beobachtet ihn, während sie die Butterschale auskratzt.
»Völliger Schwachsinn«, sagt er dann und legt das Papier auf die Seite. »Das ist nie und nimmer das ganze Haus. Das ist irgend so ein Kotzbrocken, der im Namen des Volkes spricht!«
»Was sollen wir tun?« Nina bringt es nicht fertig, ihren Auszug so einfach anzubieten. Was, wenn er ja sagen würde?
»Ich hänge einen Brief ans Schwarze Brett, daß sich die Verantwortlichen für diesen Wisch entweder melden oder verpissen sollen!«
Gabriel kommt ziemlich verschlafen zur Tür herein. »Morgen! Habt ihr noch einen Kaffee übrig?«
Nic wirft ihm einen mißbilligenden Blick zu. »Jetzt geht das schon wieder los!«
»Kann ja gar nicht«, sagt Nina spontan und denkt an die Schlaftabletten. Seit Wochen hat sie auf die doch verzichtet.
»Wer mit wem?« Gabriel setzt sich, zieht den Brotkorb mit den aufgewärmten Brötchen heran.
»Kann nicht?« fragt Nic verständnislos.
Nina schaut ihn groß an. »Ja, kann nicht ... Kaffee kann nicht übrig sein. Wir haben doch nur vier Tassen gemacht!«
»Das sind ja schwäbische Verhältnisse!« Nic schaut prüfend in die Kaffeekanne. »Kann doch! Zumindest der Kaffee!«
Damit wirft er Gabriel einen Blick zu, der Nina aufhorchen läßt. Hat sie etwa vergangene Nacht etwas verpaßt?
DER ÜBERFALL
Nadine Hahn scheint sich über Ninas Anruf zu freuen, und sie nimmt sich die Zeit, ihr zuzuhören. Aber sie meldet Bedenken wegen der Rechte an. Das Material so einfach für einen eigenen Film zu verwenden geht nicht. Für den Sender schon, aber da müsse sie die Idee erst einmal vorbringen. Fraglich sei, ob so ein Thema kurz nach dem Silvesterfilm über die Jugend in Rio gefragt sei. Selbst wenn der Tenor ein völlig anderer wäre.
Eine andere Möglichkeit wäre, den Film zum Verkauf anzubieten. Wenn Nina einen Sender fände, der Interesse habe, könnte man darüber verhandeln.
Nina bedankt sich. Jetzt gibt's zumindest einmal eine Basis für ihre Zukunft. Gleich nach dem Bistro und dem Postamt wird sie Rosa Heckschneider anrufen.
Aber dann vergißt sie es vor lauter Aufregung: Ein Brief aus Hollywood wartet im Postfach auf sie, und es ist eine Einladung zu einem Casting nach Los Angeles. Nina knicken fast die Beine weg. Nicht zu fassen. Was sie für sich selbst nicht erreicht, macht sie spielend für andere. Vielleicht sollte sie ins Management. Eine Agentur gründen. Schauspieler vermitteln!
Sie geht noch schnell ins nächste Lebensmittelgeschäft und läuft dann mit vollen Einkaufstüten zurück zur Wohnung. Ein leichter Nieselregen hat eingesetzt, der in Schnee übergeht, die Wolken hängen tief, verdunkeln die Stadt. Nina schwitzt, obwohl es schneidend kalt ist, und die schweren Plastiktüten schneiden ihr schmerzhaft in die Finger. Sie beeilt sich, um den Brief mit einem Glas Champagner zelebrieren zu können, und kommt außer Atem an der schweren Haustür an. Nina stemmt sich mit dem Rücken dagegen und drückt sie auf.
Ein
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