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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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Friedensnobelpreis für seine jahrzehntelangen Bemühungen um die atomare Abrüstung erhalten hat, oder ihren Vater, der ein herzensguter Mann sei. Dann fällt ihr nichts mehr ein. Jesus vielleicht noch.
    Ausnahmen, schwächt Gabriel ihre Argumente ab. Schau dir die Masse an. Unterdrücker, Ausbeuter, Ewiggestrige.
    »Du siehst ziemlich schwarz!« Nina öffnet ein neues Bier, schenkt die leeren Gläser voll. »Yitzhak Rabin war auch ein großer Mann!«
    »Und? Umgebracht! Von .«
    »... einem Mann. Ich weiß!«
    »Trotzdem habe ich in meinem Leben schon ein paar sehr nette Männer kennengelernt!« Nina prostet ihm zu.
    »Klar! Nic und mich!«
    Nina lacht schallend.
    Als sie eine Stunde später im Bett liegt, kann sie nicht einschlafen. Sie denkt über Frauen nach und über Männer. Warum werden die meisten Gewalttaten von Männern begangen? Warum hat sich dieser archaische Aggressionstrieb bis heute gehalten und bricht in einem Zeitalter, in dem ein Miteinander möglich und vor allem wichtiger wäre als ein Gegeneinander, immer wieder dumpf hervor? Kettengerassel und Drohgebärden. Hatz auf den Schwächeren, der sich sowieso nicht wehren kann. Warum setzt die Beißhemmung nicht ein, wenn sich ein anderer geschlagen gibt, um Gnade bettelt? Warum reizt gerade die Hilflosigkeit eines anderen noch zu verstärkter Grausamkeit?
    Was will der beutejagende Urmensch im 20. Jahrhundert? Hat die Evolution einen Fehler gemacht? Die einen fliegen zum Mond, die anderen schlagen sich tot.
    Ihr fallen die Schlagzeilen über Brasilien wieder ein. Oder Indien. Dort rutschen Kinder auf Knien über die Straße, weil man ihnen die Sehnen durchgeschnitten hat. Verkrüppelte Kinder betteln besser. In Jugoslawien brachten sich Nachbarn, die als Kinder noch miteinander gespielt haben, haßerfüllt um. Bürgerkriege, Massaker, Amokläufer, Folter bis zur Bewußtlosigkeit, Blut, Blut, Blut. Unter dem Mäntelchen der Gerechtigkeit, der Politik oder der Religion. Irgendeinen Tarnmantel tragen sie immer über ihrem Bärenfell. Ob Kampfanzug, Anzug und Krawatte oder Kaftan, das Resultat bleibt sich gleich und die Antriebsfeder auch: Macht, Geld und Befriedigung.
    Irgend etwas muß in der Entwicklung schiefgelaufen sein. Irgendwas muß der liebe Gott bei der Erschaffung des Menschen übersehen haben. Oder er hält gerade seinen Mittagsschlaf bis ins nächste Jahrtausend. Möglicherweise sogar in dem Glauben, der Mensch entwickele sich planmäßig weiter. Dabei ist der Fortschritt nur äußerlich. Tief drinnen schlummern die alten primitiven Verhaltensweisen aus Urzeiten. Ötzi läßt grüßen.
    Nina dreht sich auf die andere Seite.
    Und die Frauen? Waren jahrhundertelang zu blöd zu erkennen, daß sie auch eine Macht sind. Und sind es in zahlreichen Ländern noch. Beugen sich einer Autorität, die sie nicht gewählt haben, einer Religion, die von Männern für Männer gemacht wurde, einer Kultur, die gegen sie arbeitet. Akzeptieren niedrigeren Lohn bei gleicher Arbeit, haben Deutschland nach dem Krieg Stein für Stein mit den Händen aufgebaut und sind flugs hinter den Herd gekrochen, nachdem die Herren und Meister wieder da waren, mucksten nicht gegen die zu niedrigen Witwenrenten, sahen ihre eigene Hausfrauenarbeit als minderwertig und dadurch sich selbst auch, wehrten sich nie, nahmen alles als gottgegeben, so wie man es ihnen beigebracht hat. Obrigkeitshörig, demütig, selbstlos. Im Himmel gibt's den Lohn dafür. Aber nur, wenn man auf Erden das Maul hält. Und wenn sie es je aufrissen, war es mit männlicher Genehmigung. Bei der Französischen Revolution waren die Weiberröcke unentbehrlich, aber nach dem Siegestaumel wurde jede, die weiterhin auf die Rechte der Frau pochte, ein Fall fürs Fallbeil.
    Auch hier hat die Entwicklungsgeschichte versagt.
    Aber vielleicht kämpfen der liebe Gott und Allah ja gerade um die Weltherrschaft und haben deshalb keine Zeit, sich um so profane Dinge wie Trauer, Elend und Schmerz zu kümmern.
    Nina dreht sich auf den Bauch. Womit sie bei sich selbst angelangt wäre.
    Wenn man etwas ändern will, sollte man bei sich selbst anfangen. Das ist zwar ein Spruch ihrer Mutter und war auch nicht unbedingt auf das Weltgeschehen, sondern eher auf ihre pubertären Auswüchse bezogen, aber er erweist sich jetzt vielleicht als brauchbar.
    Wer etwas verändern will, sollte bei sich selbst anfangen.
    Was will sie verändern? Wo soll sie anfangen?
    Nina dreht sich auf den Rücken, schaut zum Fenster hinaus. Ein Flugzeug

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