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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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etwas gehört? Nun gut, wenn draußen Züge vorbeifuhren, schluckte das eine Menge, brechendes Porzellan, vielleicht auch Hilfeschreie.
    Sie sei in der Wohnung verletzt worden, erklärte Dieter. Es gab frische Blutspuren, die übereinstimmten mit älteren Flecken in einem Teppich. Und dass sie ihren Mörder hereingelassen hatte, konnte man ausschließen. War sie nicht da gewesen, als er kam? Sie hatte am frühen Samstagabend das Haus verlassen, das hatte jemand aus einem Nachbarhaus beobachtet. Wann sie zurückgekommen war, wusste niemand.
    Fragen über Fragen. Das größte Mysterium war für Dieter die Aussage seiner ehemaligen Schwiegermutter. Agnes Rungeschwor Stein und Bein, am Sonntagabend noch mit der Tochter telefoniert zu haben. Zu dem Zeitpunkt war Susanne längst tot und konnte gar nicht mit ihrer «Freundin» Jasmin Toppler auf dem Motorrad unterwegs gewesen sein. Jasmin Toppler hatte zwar das gesamte Wochenende mit anderen Motorradfans auf dem Nürburgring verbracht, aber Susanne zuletzt am Freitagabend gesehen. Ein freundschaftliches Verhältnis bestritt sie, man habe sich mal einen Gefallen getan, mehr nicht. Hatte Agnes Runge sich im Tag geirrt? Das wäre verständlich gewesen im Schock einer solchen Nachricht. Aber aus welchem Grund hatte Susanne ihre Mutter nach Strich und Faden belogen – mit dieser Freundschaft, mit einem Bürojob, den sie nicht hatte. Dem versoffenen Heller hatte sie sogar ein Klavier angedichtet.
    Mit viel Mühe behielt sie das Lächeln bei. Dass es bei diesen Auskünften sehr verkrampft ausfiel, war nicht verräterisch. Dieter kam zum Ende mit der Erklärung: «Susanne lebte immer in einer Traumwelt und neigte dazu, sich in kritischen Situationen heillos zu überschätzen. Vielleicht war sie verdorben von unzähligen Kitschromanen, in denen ja immer alles gut ausgeht.»
    Sie beschloss, die Farce zu beenden und es zu riskieren. «Sehr aufschlussreich, wie du mich beurteilst.»
    Es verschlug ihm die Sprache. Als er sie wieder fand, schwankte er zwischen Zorn und Ablehnung. «Entschuldigen Sie, Frau Trenkler, das ist kaum der richtige Moment für dumme Scherze.»
    «Mir ist auch nicht nach dummen Scherzen», sagte sie. «Ich mag in den sechs Jahren mit deiner Mutter ziemlich verblödet sein. Aber so dämlich, dass ich mich freiwillig für eine Tote ausgebe, bin ich nicht. Meiner Mutter habe ich Märchen erzählt, weil ich sie mit meiner Situation nicht belasten wollte.»
    Er schluckte trocken, kniff die Augen zusammen und murmelte: «Das gibt’s nicht. Du bist es wirklich, ja?»
    «Jetzt nicht mehr», sagte sie. «Jetzt bin ich Nadia Trenkler.» Sie zeigte ihm Ausweis und Führerschein.
    Er betrachtete beides. «Wie kommst du zu diesen Papieren? Gehören Sie der Toten?»
    Sie nickte und begann mit einem ausführlichen Bericht – beim Aufzug im Gerler-Bürohaus, wie sie es einmal niedergeschrieben hatte. Nun kam noch eine Menge dazu. Dieter lauschte fassungslos, schüttelte mehrfach den Kopf, unterbrach sie jedoch nicht. Erst als sie zum Ende kam, meinte er, genau das habe er doch eben gesagt. Das sei typisch für sie. Jeder halbwegs vernünftige Mensch wäre spätestens bei der Honorarerhöhung nach dem Desaster mit dem Garagentor stutzig geworden. Und keine Frau mit ein bisschen Verstand im Hirn hätte sich ein zweites Mal auf dieses Spiel eingelassen – gewiss nicht nach so dramatischen Vorzeichen wie dem Zusammentreffen mit Zurkeulen in der Bank.
    «Mir blieb nichts anderes übrig», sagte sie. «Was mir im Hirn fehlt, habe ich im Bauch zu viel.»
    Vorübergehend vergaß Dieter seine gesellschaftliche Stellung und seinen Intellekt. Er fluchte wie ein Bauarbeiter und erteilte ein paar inakzeptable Ratschläge. Abtreibung, sofort zur Polizei und so weiter.
    «Ich bin nicht hier, um mir von dir Vorträge anzuhören», unterbrach sie ihn und erklärte, was sie von ihm wollte.
    Er schüttelte energisch den Kopf. Ihre Mutter zu informieren, hielt er für die verrückteste Idee, die ihr je in den Sinn gekommen war. «Das steht sie nicht durch. Herrgott! Was erwartest du von einer alten Frau, Su   …» Er brach mitten im Wort ab, schickte einen raschen Blick zur offenen Schiebetür. Von der Wirtin war nichts zu sehen, aus der Küche drang Geschirrklappern.
    Zurkeulen und Ramon bei der Polizei als Susannes Mörder zu nennen, lehnte Dieter kategorisch ab. Was sie in Hardenbergs Büro aufgeschnappt hatte, mochte den Verdacht nahe legen. Aber Dieter dachte nicht im Traum daran, seine

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