Die Lüge
Moment einen Dreck geschert, ob er sich eine Kugel einfing.
«Natürlich», war das Letzte, was sie von Wolfgang hörte. «Ich kann das nachvollziehen. Ich hätte vermutlich genauso reagiert.»
Wolfgang kam nicht zurück ins Erdgeschoss. Es war ein Tanz auf Messers Schneide, ihm nach oben zu folgen und sich zu ihm zu setzen. Zuerst einmal stellte er fest, dass Zurkeulen Michael einen mächtigen Floh ins Ohr gesetzt habe. Er meinte, jedem Mann müsse auffallen, ob er die eigene Frau im Bett hatte oder seit Tagen mit einer Fremden schlief. Es hätten ja schon etliche Tage sein müssen. Und da gäbe es doch entschieden mehr als eine frappierende Ähnlichkeit im Gesicht. Abgesehen davon, welchen Grund hätte die Lasko haben sollen, sich bei Nadias Mann einzuquartieren?
Wolfgang sah es so ähnlich wie sie selbst zu Anfang. Dass es tausend Dinge gab, die eine Frau von der anderen unterschieden. Eine Sterilisation zum Beispiel, doch da vermutete er einen Trick. «Bist du tatsächlich schwanger, oder versuchst du nur, Doc bei Laune zu halten?»
«Erstens ja und zweitens nein», sagte sie. «Und wenn du mich jetzt fragen willst, ob ich vorhabe, Wenning zu verklagen, nochmal nein. Es war ein komisches Gefühl, als ich es merkte. Es ist leicht, zu sagen, ich will nicht, solange nichts da ist, was man wollen könnte. Und dann ist plötzlich etwas da, man hat nicht damit gerechnet, und in meinem Alter – es ist meine letzte Chance, ein Kind zu bekommen.»
Er hatte ihr mit sonderbarem Grinsen zugehört, murmelte: «Glück gehabt», wandte sich dem Computer zu und verlangte ihr Auskünfte zu Hardenbergs Geschäften ab. Vorübergehend schaffte sie es noch einmal, ihn vom Thema abzubringen und ihrerseits ein paar Informationen zu erhalten. Seine Männer hatten Ramons Leiche aus dem Haus geschafft und irgendwo in die Botanik verfrachtet. Es war jedoch davon auszugehen, dass Zurkeulen nicht viel Zeit verlor mit der Suche nach einem Ersatzmann.
Dass sie seinen Wissensdurst nicht stillen konnte, akzeptierte Wolfgang schließlich. Ob er ihr auch glaubte, mit Hardenbergs dubiosen Geschäften habe sie nichts zu tun gehabt, stand auf einem anderen Blatt. Er öffnete SLK mit dem Editor, tippte auf die Initialen AR. «Die meisten Leute sind einfallslos und wählen Kennworte aus ihrem persönlichen Umfeld», sagte er. «Wenn du dieses Konto eingerichtet hättest, würde ich auf Arnim Röhrler tippen. Aber wenn du nichts mit der Sache zu tun hast …»
Er brach ab. Vielleicht bemerkte er ihre Unsicherheit. Sie hatte ja auch mit Röhrler zu tun gehabt. Durchaus möglich, dass Nadia sich für Röhrlers Initialen entschieden hatte. Als sie schwieg, fuhr Wolfgang fort: «Ihre Mutter heißt Agnes Runge. Sonst hatte sie keine Angehörigen mehr. Es kann ein Reinfall erster Güte werden. Aber versuchen sollten wir es.»
«Wieso wir? Ich will damit nichts zu tun haben.»
«Du wirst mir schon ein wenig zur Hand gehen müssen»,meinte er. «Keiner meiner Männer dürfte eine überzeugende Susanne Lasko abgeben.»
Er wollte noch mehr sagen, das Telefon unterbrach ihn. Der Anrufbeantworter war unverändert in Betrieb, schaltete sich ein und übertrug zuerst Nadias Stimme. Und dann sagte Dieter: «Ich habe aufschlussreiche Neuigkeiten, Susanne …»
Wie selbstverständlich griff Wolfgang nach dem Hörer, schaltete gleichzeitig den Anrufbeantworter aus und brachte Dieter damit für sie zum Schweigen. Den Blick hielt er auf ihr Gesicht gerichtet. Er meldete sich nicht mit Namen. Er meldete sich überhaupt nicht, lauschte nur aufmerksam und schaute ihr gedankenversunken nach, als sie den Raum verließ.
Sie ging ins Schlafzimmer, legte sich zu Michael ins Bett und zog seinen Arm über sich. Er schlief so fest, dass er nichts von ihr spürte. «Halt mich», murmelte sie und wusste beim besten Willen nicht mehr, welche Geschichte sie erzählen sollte, wenn Wolfgang gleich durch die Tür trat, nicht mehr als Nachbar, Freund und Helfer, nur noch als Polizist.
Es war ein ziemlich langes Gespräch. In den ersten drei oder vier Minuten hörte sie Wolfgang Blasting mehrfach kurz antworten und verstand nicht, warum Dieter nicht auflegte, als er erkannte, dass er nicht sie in der Leitung hatte. Wolfgang Blasting bedankte sich schließlich. Danach blieb es im Arbeitszimmer eine Weile still. Es schien, dass er noch am Computer zu tun hatte. Vielleicht wollte er sich einen Überblick verschaffen, ehe er sie festnahm.
Doch als er dann endlich in der
Weitere Kostenlose Bücher