Die Lüge
an ihrem Ärmel. Wolfgang ging zu seinem Wagen. Sie blieb noch kurz bei Dieter stehen. «Deine Mutter weiß Bescheid», flüsterte er. «Ich fahre sie am Sonntag spazieren. Es wäre schön, wenn du uns begleiten könntest. Sonst kann ich nicht dafür garantieren, dass sie noch lange mitspielt. Um drei auf dem Parkplatz bei dem Gasthof.» In normaler Lautstärke fügte er an: «Ich hoffe, Sie verstehen meine Weigerung, Frau Trenkler. Aber in diese Sache möchte ich nicht hineingezogen werden. Ich glaube auch nicht, dass Ihnen damit geholfen ist, Herrn Hardenberg einen Anlagebetrug nachzuweisen.»
«Machen Sie sich um mich keine Sorgen», sagte sie. «Bisher bin ich in dieser Angelegenheit ganz gut alleine zurechtgekommen.»
Wolfgang war nicht zufrieden und gab das auf der Rückfahrt deutlich zu verstehen. Wenn sie ein wenig gejammert hätte, meinte er, wäre Lasko vielleicht doch behilflich gewesen, Hardenberg festzunageln. Dass der völlig ungeschoren bleiben sollte, passte Wolfgang nicht. Ihr gefiel es noch weniger, aber was Dieter angedeutet hatte, war nicht von der Hand zu weisen. Ob man Hardenberg den Mord an Heller beweisen konnte, war fraglich. Er würde vor der Polizei bestreiten, was er ihr gestanden hatte. Vielleicht würde er sogar versuchen, die gesamte Schuld auf Nadia abzuwälzen.
Michael schlief noch, als sie zurück ins Haus kamen. Wolfgang setzte sich sofort wieder an den Computer und kontrollierte kleinere Dateien. Es war nur Versicherungskram, ein paar Immobilienfinanzierungen dazwischen. Die größeren Dateien konnte er ohne das entsprechende Programm nicht öffnen.
Er löschte Unmengen von Daten, die er für seine Ermittlungen nicht brauchte. Aber er brauchte Speicherplatz, wollte bis zum Abend genügend Kilobyte erwirtschaften, um das Betriebsprogramm wieder aufzuspielen. Es lag vermutlich im Tresor. Zum Glück fehlten ihm am Abend noch mehrere hundert Kilobyte. Es lohnte nicht, sie auf den Dachboden zu schicken. Er wies sie nur an, ihre eigenen Daten auszudünnen. Michael war längst wieder bei ihnen.
Als Wolfgang sich verabschiedete, setzte sie sich an den Computer, um zu verhindern, dass er am nächsten Tag den zweihunderttausend für Jo auf den Grund ging. Es wäre vielleicht ratsamer gewesen, Michael auf den Dachboden zu begleiten und ihm ebenso aufmerksam auf die Finger zu schauen, wie sie es bei Wolfgang getan hatte. Doch dazu ergab sich bestimmt später noch einmal die Gelegenheit. NTK war ihr vorerst wichtiger. Jo sollte nicht auch noch in Schwierigkeiten geraten.
«Bist du so lieb und holst mir das Programm?» Natürlich war Michael so lieb. Als er zurückkam, war die NT K-Datei verschwunden. Sie löschte weiter, die zahlreichen Analysen, Berichte und Gesprächsnotizen. Endlich reichte es. Der Platz war knapp, doch das wirkte sich nur auf das Arbeitstempo des Rechners aus. Michael übernahm es, das Programm wieder aufzuspielen, weil sie plötzlich Rückenschmerzen hatte und hungrig war.
Die Nacht war friedlich. Andrea, ihr Söhnchen, ihr Mann und die Großmutter waren auf Wolfgangs Anweisung beiVerwandten untergekommen, Jo und Lilo durch eine eigene Alarmanlage gesichert. Außerdem saß draußen auf der Straße einer von Wolfgangs Männern in einem Auto und langweilte sich.
Am Freitagmorgen fuhr Michael zur üblichen Zeit ins Labor. Sie stand mit ihm auf und machte ihm Frühstück. Er trank nur einen Kaffee, den liebevoll zubereiteten Toast mit Schinken und einem Essiggürkchen lehnte er ab. «Du weißt doch, dass ich so frühmorgens keinen Bissen runterbringe.» Jetzt wusste sie das mit Sicherheit.
Bis Wolfgang kurz nach acht erschien, fand sie genügend Zeit für einen Anruf bei Dieter. Dreimal sprach sie den englischen Text nach, den er ihr vorsagte, dann war er mit ihrer Aussprache zufrieden und erinnerte sie noch einmal an den Sonntagnachmittag und die Spazierfahrt mit ihrer Mutter.
Wolfgang kam in Begleitung von Schneider, der als Ablösung für den Mann auf der Straße gedacht war. Auch tagsüber wollte Wolfgang sie geschützt wissen. Er war nervös, als sie den Telefonhörer abnahm. Sie hätten nur einen telefonischen Versuch, erklärte er. Wenn es mit dem Kennwort «Agnes Runge» schief ging, müsste sie nach Nassau fliegen, um Zurkeulens Geld zurück nach Luxemburg überweisen zu lassen. Und wenn sich dann herausstellte, dass A. R. auch nicht Arnim Röhrler bedeutete, konnte Wolfgang seinen gesamten schönen Plan vergessen. Aber es funktionierte – mit dem Namen
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