Die Lüge
ihrer Mutter.
«Das hätten wir», sagte Wolfgang zufrieden, als sie den Telefonhörer auflegte. Er führte selbst noch ein kurzes Gespräch und brachte einen seiner Männer auf den Weg, Susanne Laskos Ausweispapiere bei den Kollegen abzuholen. Dann bestimmte er: «Wir fahren am Montag nach Luxemburg», und drückte ihr erneut den Telefonhörer in die Hand.
Über einige Apparate wurde sie ins Büro eines Bankdirektorsverbunden. Als sie zu sprechen begann, hob Wolfgang anerkennend einen Daumen. Dabei hatte sie nichts weiter zu tun, als sich mit dem Namen vorzustellen, den sie lange Jahre genannt hatte, für den Montag ihren Besuch anzukündigen und um die Bereitstellung der in den nächsten Stunden aus Nassau eingehenden Summe zu bitten.
Am Dienstag sollte sie dann Zurkeulen sein Geld aushändigen und ihn vielleicht irgendwie dazu bringen, den Mord an der Lasko zu gestehen. Dass ihr das tatsächlich gelingen könnte, bezweifelte Wolfgang. Aber ihm reichte die Geldübergabe, um Zurkeulen wegen Steuerhinterziehung vor Gericht zu bringen. Für die Aufklärung eines Mordes fühlte er sich nicht zuständig. Es sei auch kaum anzunehmen, meinte er, dass Zurkeulen sich selbst die Hände schmutzig gemacht habe. Und Ramon konnte niemand mehr zur Verantwortung ziehen.
Samstags machte sie Einkäufe mit Michael. Es war ständig jemand in ihrer Nähe. Er ließ sich davon nicht stören, war wieder voller Pläne. Das Gästezimmer ohne Zugang zum Dachboden musste ausgeräumt, neu tapeziert und ausgestattet werden mit Wiege, Wickeltisch und so weiter. Über einen Namen hatte er sich auch schon Gedanken gemacht, hoffte auf eine Tochter und hätte sie gerne Laura genannt – nach seiner Mutter –, aber er wusste nicht, ob sie damit einverstanden war.
«Warum nicht?», sagte sie. «Laura ist doch ein schöner Name.»
Dafür bekam sie einen langen Kuss, dann kam er auf Wolfgangs Pläne für die nächsten Tage zu sprechen. Sie behagten ihm absolut nicht, er wusste jedoch, dass es keine andere Lösung gab. Seine Sorge bot ihr die Möglichkeit, das Treffen mit ihrer Mutter vorzubereiten. Mit einem bedrückten Seufzersagte sie: «Wenn wir nur sicher sein könnten, dass es damit ausgestanden wäre. Aber mir gehen diese anderen Briefe nicht aus dem Kopf. Neunmal der gleiche Text, erinnerst du dich?»
Er nickte.
«Wer garantiert uns, dass Zurkeulen der einzige Betrogene ist?», fuhr sie fort. «Dass Wolfgang bisher keine Hinweise auf andere Anleger gefunden hat, bedeutet nichts. Philipp müsste wissen, ob da noch mehr sind. Aber wenn Wolfgang sich erst mit ihm beschäftigt, werden wir von ihm nichts mehr erfahren, fürchte ich. Philipp wird mich mit Freuden ins nächste Messer rennen lassen.»
Michael sah das ebenso. Den Vorschlag, dass sie alleine mit Hardenberg sprechen müsse, brauchte sie nicht einmal anzudeuten. Er machte ihn selbst und sorgte auch dafür, dass sie am Sonntag kurz nach Mittag unbemerkt das Haus verlassen konnte. Es war nicht schwierig, Schneider, der sich inzwischen nicht mehr draußen, sondern im Haus aufhielt, zu einer Runde im Pool zu überreden.
Ehe er mit Schneider nach unten ging, erinnerte er sie an das Niedenhoff-Konzert. Das hatte sie in der Aufregung völlig vergessen. Heute Abend in der Beethovenhalle. «Wir fahren doch hin? Es tut uns bestimmt gut, einmal abzuschalten. Und Jacques wäre enttäuscht, wenn wir uns nicht blicken lassen.»
Ihr war es lieber, sich Jacques’ Enttäuschung auszumalen als ein Zusammentreffen mit ihm. Andererseits, was sollte bei einem Konzert großartig passieren, wenn sie zwischen vielen anderen im Publikum saß und auf der Bühne ein Mann Klavier spielte? Sie war noch nie in einem Konzert gewesen.
Pünktlich um drei kam sie beim Gasthof an. Ihre Mutter saß in Dieters Kombi. Dieter verlangte ihr den Autoschlüssel ab, drückte ihr seinen Schlüssel in die Finger und drängte zum Aufbruch, damit sie nicht noch zufällig gesehen wurden. Es war kaum Zeit für eine richtige Begrüßung. Agnes Rungesagte nur: «Fahr los, Kind.» Dieter fuhr den Alfa ein Stück hinter dem Kombi her, dann bog er ab und verschwand.
«Ich war nicht auf der Beerdigung», sagte Agnes Runge. «Dieter meinte, es wäre besser, wenn ich nicht hingehe. Ich wusste ja ganz genau, dass dir nichts passiert war, Kind. Wir hatten doch noch telefoniert. Das haben die mir nur nicht geglaubt. Nun erzähl aber mal. Warum muss Dieter der Polizei denn jetzt diese schlimmen Sachen über dich erzählen? Du
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