Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
ersehnter Dauerregen auf eine Wüste. Mindestens fünfhundert Euro im Monat! Es war nicht die Erfüllung eines Traumes und gewiss nicht das, was sie eigentlich brauchte. Aber sie müsste sich nicht mehr am Geld ihrer Mutter vergreifen, solange Nadias Affäre dauerte. Bei tausend könnte sie sogar schon zurückzahlen, wenn sie sich weiterhin auf das Nötigste beschränkte. Und vielleicht konnte Nadia ihr auch bei der Jobsuche behilflich sein. Wenn dann der äußere Rahmen stimmte – sie nickte zögernd.
    Nadia nahm ihre Zustimmung mit einem erleichterten Atemzug zur Kenntnis und erklärte weiter. Es sollte ungefährso ablaufen, dass sie sich an einem Freitagnachmittag in der Stadt trafen, dass sie in Nadias Auto stieg   … Susanne bekam einen weiteren Hustenanfall und röchelte anschließend: «Ich brauche wahrscheinlich auch ein paar Fahrstunden, ehe ich mit einem Porsche   …»
    Nadia unterbrach sie mit einem amüsierten Lachen. Der Porsche gehörte ihr nicht, sie nutzte ihn nur geschäftlich. Deshalb hatte sie noch einmal wegfahren, ihn zurückbringen und ins eigene Auto umsteigen müssen. Das stand jetzt zwei Straßen weiter und hatte ein paar PS weniger unter der Haube, es war nur ein Alfa Spider. Das klang, als müsse man sich dafür schämen. «Aber du kannst selbstverständlich ein paar Fahrstunden nehmen», erklärte Nadia. «Das ist überhaupt kein Problem.»
    In der letzten halben Stunde zeigte Nadia die Fotos, die Susanne vor der Haustür des Arztes schon gesehen, jedoch nicht beachtet hatte. Die Polaroidaufnahmen waren vermutlich nur gemacht worden, um sie in dieser Situation vorzeigen zu können. Auf der Rückseite waren sie zur besseren Orientierung beschriftet. Auch die anderen Aufnahmen hatte Nadia jeweils mit einem Vermerk versehen.
    Die Einblicke in Nadias Umgebung erinnerten Susanne an einen Schulausflug. Ein Schloss hatten sie besichtigt, waren auf Filzlatschen über Parkettböden gehuscht und hatten Teppiche bestaunt, deren Namen niemand aussprechen konnte. Nadia erklärte zahlreiche Details und bedauerte: «Ich würde dir das Haus gerne persönlich zeigen. Aber das können wir nicht riskieren – wegen der Nachbarn.»
    Sie zeigte auch Fotos von den Nachbarn, aufgenommen bei einem geselligen Beisammensein. Joachim, kurz Jo genannt, und Lilo Kogler, beide in den Fünfzigern, nett und umgänglich, leider mit einem grausamen Hang zu überraschend angesetzten Partys.
    «So etwas fällt Lilo meist am Morgen ein», sagte Nadia. «Dann ordert sie ein Büfett und telefoniert ein paar Leute zusammen. Meistens kann man sich nicht drücken. Jo ist übrigens ein Genie, es gibt nichts, wovon er keine Ahnung hätte. Er hat zwei oder drei Patente laufen, Technik und Elektronik. Was er aus meinem Haus gemacht hat, Wahnsinn, sage ich dir, es ist absolut sicher. Du wirst es ja sehen. Lilo arbeitet in einer Galerie, das hat auch Vorzüge. Sie hat mir schon einige Stücke zu Sonderpreisen vermittelt, sogar einen Beckmann.»
    «Ah ja», sagte Susanne, hatte keine Ahnung, was ein Beckmann war, und betrachtete das zweite Paar aus Nadias Nachbarschaft. Wolfgang und Ilona Blasting, beide Ende dreißig und nicht ganz so nett. Er war bei der Polizei, sie als Abgeordnete der Grünen in Berlin tätig.
    «Sie ist unerträglich mit ihren Vorträgen», sagte Nadia. «Aber sie ist meist in Berlin. Er hat leider zu viel Zeit, sich um die Nachbarschaft zu kümmern. Wenn du verstehst, was ich meine.»
    Das verstand sie auf Anhieb, musste nur an Heller denken. Nadia kam auf ihren Mann zu sprechen. Nach den ausführlichen Erklärungen zur unmittelbaren Nachbarschaft rechnete Susanne auch mit umfassenden Informationen über Michael Trenkler. Doch was ihn betraf, blieb Nadia vage, erzählte nur, Michael arbeite in einem Labor und käme zu unregelmäßigen Zeiten heim, oft sehr spät. Ob er tatsächlich so lange zu tun hatte oder sich mit einer Labormaus amüsierte, blieb dahingestellt. Nadia interessierte sich nicht mehr für seine außerhäuslichen Vergnügen.
    Dann verabschiedete Nadia sich endlich. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Draußen brauste ein später ICE vorbei. Es war stickig im Zimmer. Susanne war müde, aber schlafen konnte sie nicht. Ihr Hirn summte nicht mehr vor Fieber. Jetzt war es Nadias Stimme, die darin rauschte wie ein Wind, den manhören und spüren, aber nicht fassen konnte. Und die bunten Bildchen einer Luxuswelt gaukelten vor ihrem inneren Auge.
     
    Nadia kam samstags um die Mittagszeit zurück.

Weitere Kostenlose Bücher