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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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einen Vertrag hingelegt, den sie unterzeichnete, wenn sie die Hand nach dem Geld ausstreckte.
    «Gut», sagte Nadia. «Dann sieh zu, dass du sofort fahren kannst. Du willst ja nur deine Praxis auffrischen und brauchst keinen theoretischen Unterricht. Zur Kosmetik gehst du am Mittwoch. Das Make-up kaufst du dort, auch das Parfüm und eine Körpercreme, die duftet intensiver als eine Lotion. Wenn du kein Deo benutzen kannst, ist das notwendig. Danach kannst du auch gleich auf die Sonnenbank und zum Juwelier. Das muss bis Donnerstag erledigt sein. Am Donnerstag gehst du zum Friseur, sechzehn Uhr. Wir treffen uns am Freitag um siebzehn Uhr im Parkhaus.»
    «Warum?», fragte sie, nur um überhaupt etwas zu sagen. «Du kannst doch herkommen.»
    «Lieber nicht», sagte Nadia. «Wenn du selbst wieder aus der Wohnung gehst, könnte auffallen, dass es dich zweimal gibt.»
    Diese Vorsicht fand sie übertrieben, aber sie schwieg. Es war Nadias Spiel. Dass sie sich nicht an sämtliche vorgeschriebenen Regeln hielt, war nur Sparsamkeit. Eine Frau, die seit Monaten hauptsächlich von Nudeln lebte und der nächsten Heizkostenabrechnung entgegenzitterte, verschleuderte nicht so einfach etliche hundert Euro. Nur einmal angenommen, Michael Trenkler erkannte binnen einer Viertelstunde, dass er an der Nase herumgeführt wurde. Dann gäbe es keinen zweiten Einsatz und auch kein Geld mehr. Wenn sie die zur Verfügung gestellte Summe und die fünfhundert für den ersten Versuch geschickt einteilte, konnte sie zweimal den Weg zur Bank einsparen.
    Am nächsten Vormittag ging sie zwar wie befohlen zu einer Fahrschule und erkundigte sich nach dem Preis für eine Stunde. Aber er war ihr entschieden zu hoch. Und da sie den Porsche nicht fahren sollte, meinte sie, sie käme schon zurecht. Bei der Kosmetikerin erstand sie nur das verlangte Parfüm und die Körpercreme, beides zusammen kostete über hundert Euro, obwohl sie die kleinste Flasche nahm. Alles andere besorgte sie preisgünstig im Supermarkt.
    Dann probierte sie zwei Stunden vor dem Spiegel. Sie war ein wenig aus der Übung. Beim ersten Versuch geriet ihr das Rouge zu dunkel, beim zweiten stach sie sich mit der Wimperntusche ins Auge. Beim dritten war das Gesamtergebnis schon einigermaßen akzeptabel. Allmählich begann es Spaß zu machen, versetzte sie zurück in die Zeit vor Dieter und die ersten Monate nach der Scheidung. Da wäre es undenkbar für sie gewesen, mit einem nackten Gesicht in die Bank zu fahren. Nachdem sie zum zwanzigsten Mal alles wieder abgewaschen und neu aufgetragen hatte, war es beinahe perfekt.
    Den Abend verbrachte sie mit der Enthaarung. Achseln und Schambereich warfen keine Probleme auf. Bei den Augenbrauen flossen ein paar Tränen, und das Epiliergerät erwies sich als wahres Folterinstrument. Eine Stunde später sahen ihre Beine aus, als hätte sie die Masern bekommen. Am Mittwochmorgen waren die Schwellungen und Rötungen jedoch wieder verschwunden.
    Sie ging zum Juwelier, staunte, wie rasch und schmerzlos sich Löcher in einen Körper schießen ließen, und bewunderte die medizinischen Ohrstecker, die im Preis inbegriffen waren und einige Zeit getragen werden sollten. Anschließend legte sie sich auf eine Sonnenbank, litt ein wenig unter einem klaustrophobischen Anfall, aber kaum unter der Auswirkung der Strahlung.
    Und donnerstags glänzte sie bei Nadias Friseur mit der humorvollenGeschichte über einen alten Mann, der das Finanzamt um einen Großteil seiner Steuerschuld prellte und die Ersparnisse fürs Alter per Boten ins Ausland schaffen ließ. Nadia hatte geraten, von Herrn Schrag und Röhrler zu erzählen, um nicht mit falschen Antworten Argwohn zu erregen.
    Um den in ihren Ohren unterschiedlichen Klang ihrer Stimmen schien Nadia sich keine Sorgen zu machen. Noch ließ sich das mit einer gerade überstandenen schweren Bronchitis erklären. Damit erklärte sich auch, dass sie den bereitgestellten Aschenbecher nicht nutzte. Es kamen nicht die geringsten Zweifel an ihrer Identität auf. Dabei hatte sie fürs Make-up nur zehn Minuten gebraucht. Sie wurde zuvorkommend bedient, mit Kaffee und Gebäck verwöhnt und bei jedem dritten Satz mit Frau Trenkler angesprochen.
    Der Meister zeigte sich nur ein wenig irritiert vom erbärmlichen Zustand ihrer Haare. Sie sagte auf, was Nadia ihr eingehämmert hatte. Der Urlaub! Sich leichtsinnigerweise ungeschützt in der prallen Sonne aufgehalten und dann den Fehler begangen, sich einem fremden Friseur anzuvertrauen.

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