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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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loszueisen. Dann bringe ich dir Suppe mit. Das dürfte augenblicklich am besten sein. Und Hühnersuppe habe ich garantiert auf Vorrat.»
    Nadia lächelte. Es war ein sonderbares Lächeln, sollte wohl den humorvollen Verschwörerton unterstreichen. «Mal sehen, wie viele Dosen ich unbemerkt aus dem Haus schmuggeln kann.»
    Doch der Humor wirkte wie eine dünne Decke, unter dersich etwas verdammt Ernstes verbarg. Etwas, das Nadia in großen, roten Buchstaben auf die Stirn schrieb, es könnte äußerst unangenehm werden, wenn sie beim Hühnersuppenschmuggel erwischt wurde. Dabei war es wohl nur ein Scherz. Sie konnte die Suppe doch kaufen, samstags waren viele Läden bis sechzehn Uhr geöffnet.
    «Du hast schon genug getan», sagte Susanne. «Ich will nicht, dass du meinetwegen Unannehmlichkeiten bekommst.»
    Nadia lachte leise. «Bekommen muss ich die nicht mehr. Michael hat mir keine Sekunde lang geglaubt, dass ich seit fünf Stunden im Stau stehe.»
    Sie verstand nicht, warum Nadia ihren Mann belogen hatte. «Warum hast du ihm nicht gesagt, wo du bist?»
    Nadia lächelte spöttisch. «Das hätte er mir auch unbesehen geglaubt. Da hätte ich schon sagen müssen, komm her und überzeuge dich, dass ich bei einer kranken Freundin bin.»
    Sie fand es angenehm, als Freundin bezeichnet zu werden. Es gab Nadias Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit einen Rahmen, in dem sie nicht gar so ärmlich erschien. «Zum Beispiel», meinte sie. «Das hättest du sagen können.»
    Nadia lächelte nicht mehr, sie lachte. «Ich werde mich hüten! Ich werde mir doch nicht die beste Chance auf ein schönes Wochenende verderben, die ich je hatte.»
     
    Susanne hatte keine Ahnung, wie diese Bemerkung gemeint war. Im ersten Moment hatte sie wirklich keine Ahnung und schaute Nadia verständnislos an, bis die verlegen den Kopf senkte und meinte: «Nun ist es raus. Schade, ich hätte mich gerne noch ein paar Tage als uneigennütziger Mensch gefühlt. Ich hatte es zwar in meinem letzten Brief schon angedeutet, aber als ich dich dann sah, dachte ich, du solltest dich zuerst erholen, ehe ich dich um einen Gefallen bitte.»
    Sie wusste absolut sicher, dass in Nadias drittem Brief voneinem Job als Vertretung die Rede war, nicht von einem Gefallen. Aber nach allem, was Nadia für sie getan hatte, wollte sie sich gerne revanchieren. «Ich liege nicht im Sterben», sagte sie. «Also, raus mit der Sprache.»
    Nadia betrachtete sie nachdenklich und meinte zögernd: «Nein, wirklich. Das hat Zeit. Ich will deinen Zustand nicht ausnutzen. Da käme ich mir schäbig vor.»
    So schlecht ging es ihr wirklich nicht mehr. Was immer Dr. med. Peter Reusch ihr in die Adern gejagt hatte, es hatte ihr in den anderthalb Stunden Ruhe den Kopf völlig geklärt. Und Nadias Ausweichen machte sie misstrauisch. Um einen kleinen Gefallen konnte es sich kaum handeln, sonst hätte Nadia nicht so ein Theater darum gemacht. Unvermittelt kam ihr einer von Dieter Laskos klugen Sprüchen in den Sinn: «Entwicklungshilfe ist keine Barmherzigkeit. Die stecken ihr Geld nur in arme Länder, damit die eigene Industrie es dort wieder absahnen kann.»
    Sie gab nichts mehr auf ihren Exmann und seine Ansichten. Trotzdem verursachte der Gedanke einen bitteren Geschmack im Mund. Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt, und die Formulierung fiel ein wenig unglücklich aus. «Wir können sofort reden. Was soll ich tun für einen Koffer voll abgelegter Kleidung, für zweihundert Euro in einer Jackentasche und einen kostenlosen Arztbesuch?»
    «Vergiss die Medikamente nicht», erinnerte Nadia, offenbar verärgert über so viel Undankbarkeit. Sie erhob sich, stellte ihren Teller auf den Stuhl, machte einen Schritt zur Seite und hatte damit schon die Tür erreicht, die das Schlafzimmer vom Rest der schäbigen Behausung trennte. Bei der Tür drehte sie sich wieder um, atmete mehrfach vernehmlich ein und aus, ehe sie sagte: «Tut mir Leid, Susanne. Ich kann mir denken, dass du in deiner Situation keinen Wert auf Spielchen legst. Aber   …»
    «Aber was?», fragte sie, als Nadia plötzlich abbrach. «Jetzt sag schon. Was willst du von mir?»
    Nadia zuckte mit den Achseln und lächelte harmlos. «Nichts Weltbewegendes. Ich habe dir doch erzählt, dass ich   … Also, ich habe vor kurzem einen Mann kennen gelernt. Wir waren ein paar Mal für eine Stunde zusammen. Und ich dachte, ich könnte mir ein- oder zweimal im Monat ein Wochenende mit ihm leisten. Wenn du so lange die schmollende Ehefrau

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