Die Luft, die du atmest
ihr erfuhr.
«Wenn die Zahlen denn stimmen», sagte Peter.
Ann schaltete ihren Computer an und langte nach dem Knopf am Bildschirm. Mit einem Summen sprang er an. In ihrerMailbox waren 487 Mails, die meisten Spam. Rasch löschte sie die Angebote für Hypothekenkredite und günstige Versicherungspolicen, Gutscheine für den Online-Buchversand, Werbung für Mittel gegen männliche Impotenz und Haarausfall, Sonderangebote für Luftreiniger und U V-Lampen , die versprachen, das Grippevirus zu töten – und überflog die Absender der wenigen persönlichen Mails, die übrig blieben. Keine Nachricht von Beth. Wahrscheinlich war sie irgendwo ohne Strom. Nur das konnte verhindern, dass ihre Schwester sich meldete.
Nein, nicht nur das
, flüsterte eine leise Stimme. Aber Ann wollte nichts davon hören.
Peter sagte: «Die Universität von Kalifornien meldet was über einen Impfstoff.»
«Schon gesehen», sagte Shazia.
Jeder von ihnen saß über seine Tastatur gebeugt. Ann tippte eilig eine Mail.
Beth – uns geht es gut. Bitte schreib so bald es geht. Hab dich lieb.
Sie klickte sofort auf «Senden».
Auf dem Weg ins Esszimmer drehte sie den Thermostat hoch. Es klickte, und mit einem Rauschen sprang die Heizung an. Bei dem Geräusch kamen ihr die Tränen. Sie knipste im Vorbeigehen überall Licht an und sperrte den trüben Regentag aus, der draußen vor den Fenstern hing. Jedes Licht, das anging, war ein kleiner Triumph. Mit Schwung hob sie die Schlafsäcke vor dem Fernseher auf. Maddie rutschte beiseite, damit sie an alle herankam. Kate saß am Küchentisch vor dem geöffneten Notebook.
«Na, wer ist online?», fragte Ann.
«Alle außer Hilary und Michele. Von den beiden hat keiner was gehört.»
Hilary. Ann erinnerte sich an ein blitzgescheites blondes Mädchen, das ständig kicherte und mal mit Kate zusammen an einem Projekt für Sozialkunde gearbeitet hatte. Alle Teenager,die irgendwie die Möglichkeit dazu hatten, saßen jetzt vor ihren Computern. Trotzdem hatte keiner etwas von Michele gehört. Ann trat hinter Kate und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Ihr Blick wanderte zum Bildschirm und den vielen weißen Rechtecken, die dort geöffnet waren. «Was erzählen denn die andern?»
«Claire ist bei ihrem Onkel. Bei John im Keller wohnen fremde Leute. Scooters Mom war krank, aber es geht ihr wieder besser.»
Inwiefern krank? «Frag mal nach ihren Symptomen.»
«Mom, nein, das tut man doch nicht. Das kann ich nicht machen.»
Ann ging in den Hauswirtschaftsraum und stopfte Schlafsäcke in die Waschmaschine, knallte die Tür zu, füllte Waschmittel ein und stellte dass Programm ein. Wasser lief über die Scheibe vor der Trommel. Es war alles so wundervoll. Die Sachen wurden sauber. Das Licht brannte. Die Heizungen begannen warme Luft zu verströmen. Kein schmutziger Kamin mehr und keine Wachsflecken von den Kerzen. Kein blindes Umhertappen im Dunkeln.
In der Küche kramte sie die Kaffeemaschine aus dem Schrank unter der Theke.
Hallo, du Gute.
Sie gab das verbliebene Kaffeepulver in den Filter, füllte Wasser ein und drückte auf den Knopf. Es zischte. Sie setzte den Kessel auf.
Dann holte sie sämtliches Geschirr aus dem Schrank und räumte es in den Geschirrspüler. Sie wollte alles mit dem heißesten Gang waschen. Sie drückte auf den Knopf. Leise brummend drehte sich der Propeller. Wer hätte gedacht, dass ein so simples Geräusch solche Freude auslösen konnte? «So bald das Wasser heiß ist, möchte ich, dass ihr beide unter die Dusche geht.»
«Scooters Mutter hat sich am laufenden Band übergeben»,sagte Kate. «Sie glauben, sie hat was Falsches gegessen. Danke, dass du mir geraten hast zu fragen, Mom.»
Ihre Stimme klang so viel heller. Es tat ihr gut, wieder online zu sein und mit ihren Freunden zu chatten. Vielleicht fand sich ja noch jemand, der wusste, was mit Michele war.
Maddie saß gebannt vor dem Fernseher. Sie sah zufrieden aus. In ein paar Minuten wollte Ann sie aber loseisen und ihr vorschlagen, Hannah eine E-Mail zu schreiben.
Köstlicher Kaffeeduft zog durch den Raum. Ann konnte nicht mehr abwarten, bis die Maschine fertig war. Sie nahm die Kanne, goss sich zwei Fingerbreit ein und trank. Schwach. Sie hatte am Pulver gespart, aber es war eindeutig Bohnenkaffee. Sie trank einen zweiten Schluck. Das Haus wurde allmählich warm. Sie spürte, wie sich ihre Muskeln entspannten. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie sehr sie sich versteift hatte.
Ihr Blick fiel auf den Fußboden. Im hellen
Weitere Kostenlose Bücher