Die Luft, die du atmest
Kasten mit den Buntstiften geöffnet vor sich.
«So, das ist, glaube ich, alles.» Peter hob Jacobs Decke auf, den Zahnring und das Bilderbuch mit den angeknabberten Ecken.
«Du willst doch nicht das Kind mitnehmen?», sagte Ann.
Er sah sie an. Es war seltsam, sie mit Jacob zu sehen. Alle Säuglinge waren sich ähnlich, weich und süß und meistens kahl, doch etwas an der Art, wie sie ihn hielt, ließ Peter an William denken. Vielleicht die blaue Mütze auf dem kleinen runden Kopf. «Doch, sicher.»
Maddie hob den Kopf. «Das ist nicht fair, Dad.»
Kate sagte: «Und was ist, wenn Libby ihn wieder holen will?»
Ann warf ihr einen Blick zu. «Genau. Jacob muss hierbleiben.»
Überrascht sah Peter sie an. All diese Erinnerungen, die Jacob auch in ihr wecken musste – war sie wirklich bereit, sich ihnen auszusetzen und den Kleinen wer weiß wie lange zu versorgen?
Maddie machte ein böses Gesicht. «Wenn du Jacob mitnehmen kannst, musst du mich auch mitnehmen.»
«Endlich mal eine gute Idee», sagte Kate.
«Halt den Mund», sagte Maddie. «Bitte, Dad.»
Er legte Maddie eine Hand auf den Kopf, ohne den Blick von Ann zu wenden. «Meinst du das ernst?»
Jacob wippte auf Anns Schoß, und sie hob ihn so hoch, dass er auf ihren Knien stehen konnte. Er gluckste vor Vergnügen und klatschte in die Hände. Sie drückte ihre Wange auf seinen Kopf und sah Peter an. «Ja, vollkommen ernst.»
In ihr hatte sich etwas gewandelt. Er fragte sich, wann.
Maddie sah ihn fragend an. «Heißt das, du gehst trotzdem?»
«Ja, Schätzchen.» Er legte die Sachen aus der Hand und warf einen Blick zum Kamin. «Aber ich glaube, vorher besorge ich noch ein bisschen Feuerholz. Ist nicht mehr viel da.»
Ann schüttelte den Kopf. «Du solltest im Dunkeln nicht mehr unterwegs sein.»
«Das ist noch Stunden hin. Ich habe Zeit.»
«Kate, bitte, nimm Jacob einen Augenblick.» Ann gab dem Baby einen Kuss und setzte es Kate auf den Schoß. «Können wir kurz reden, Peter?» Sie ging in den Hobbyraum voraus und schloss die Tür. «Shazia will mit dir mit.»
Er war überrascht. «Wirklich?» Sie hatte ihm nichts davon gesagt. Er wusste nicht einmal, wo sie jetzt war. Eigentlich hätte er sie noch sprechen wollen, bevor er ging, aber sie war denganzen Morgen nicht aufgetaucht. Zuletzt war sie oben im Bad gewesen und hatte sich dort eingeschlossen.
«Ich halte das nicht für eine gute Idee.»
«Ich auch nicht.» Ihm war gar nicht wohl dabei, Ann mit den Kindern und der ganzen Hausarbeit allein zu lassen. Es war sicherer für alle, wenn Shazia blieb. «Ich werde mit ihr reden.»
«Sie ist fest entschlossen.»
Er fragte sich, warum. Hatte sie Angst, dass sie ihnen zur Last ging? «Sie ist ein kluges Kind. Sie wird auf Vernunft hören.»
Ann hatte die Hände in die Hüften gestemmt und starrte zu Boden. «Peter.» Sie holte tief Luft und atmete wieder aus, dann hob sie den Blick und sah ihn an. «Ich weiß Bescheid über das Baby.»
«Okay», sagte er langsam. «Das Baby ist gesund, genau, wie Libby es versprochen hat.»
Sie schüttelte den Kopf. «Nicht Jacob. Ich meine Shazias Baby.»
«Shazia hat ein Kind?» Er starrte sie an. Shazia war direkt nach dem Examen zur Promotion in die USA gekommen. Wann hatte sie Zeit gefunden, eine Familie zu gründen? Und warum hatte sie nie etwas davon gesagt? Und wo war das Kind? Ann musste sich irren.
«Sie bekommt ein Baby», sagte Ann mit strenger Miene.
«Sie ist schwanger?» Er war vom Donner gerührt. «Hat sie dir das gesagt?»
«Das musste sie nicht.»
Er rieb sich den Nacken. Großer Gott. Was jetzt? «Und wie weit ist sie?»
«Noch nicht sehr weit, zehn, zwölf Wochen, denke ich. Es ist noch kaum was zu sehen.»
Die ganzen Risiken, denen sie sich ausgesetzt hatte. Wenner es gewusst hätte, hätte er ihr nie erlaubt, mit den Proben vom Vogelsterben zu hantieren. «Warum hat sie mir nichts gesagt?»
«Darauf weiß ich keine Antwort, Peter.» Sie verschränkte die Arme. «Aber ich bin sicher, das ist der Grund, warum sie mit dir gehen möchte.»
Er nickte. «Ich werde mit ihr reden», sagte er wieder. Shazia war schwanger. Das änderte alles.
Es regnete weiter, leicht, aber unablässig, mit Graupelschauern zwischendurch. Peter war vollkommen durchnässt, als er wieder zu Hause ankam. Er breitete die nassen Äste in der Garage aus und hängte Hut und Mantel über die Schubkarrengriffe.
Ann stand in der Küche und spülte. Sie war dick angezogen, in düsteren Farben, nur ihr Kopf und
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