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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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sie wusste, dass es ihre einzige Chance war und sie deswegen in Maddies Nähe bleiben musste. Sie war in Eile gewesen. Wo hatte sie sie hingetan? Hastig sah sie sich um. Ihr Blick blieb an der Schublade mit Kleinkram hängen.
    Endlich. Sie hatte sie gefunden.
    Ann rannte die Treppe hinauf. Die Schwester hatte ihr gezeigt, wie es ging. Sie hatte sich das Video angesehen. Im Schlafzimmer lag Maddie reglos auf dem Boden. Kate kniete an ihrer Seite, das Baby lag in ihrer Armbeuge. Ann zog den Deckel ab und hielt die Spritze senkrecht. Sie war wie ein Stift geformt. Auf keinen Fall vorne anfassen, hatte die Schwester gesagt. Da ist die Nadel.
    Ruhig, mein Kind. Ganz ruhig. Jetzt bin ich da.
    Wie lange hatte sie gebraucht?
    Sie nahm den Pen in die rechte Hand und stieß Maddie die Nadel in den Oberschenkel. Maddie rührte sich nicht. Die Nadel sollte ohne weiteres die Kleidung durchdringen, aber man konnte nicht erkennen, ob es wirklich glückte. Man konnte sie auch nicht herausziehen, um nachzusehen, sondern musste sie zehn Sekunden drin lassen. Ann zählte.
    «Mom?», sagte Kate.
    Ann zog die Nadel heraus und hielt den Stift hoch. Irgendetwas sollte anzeigen, ob es funktioniert hatte. Sie wusste nicht mehr, was. Ihr Blick wanderte zu Maddie. Ihr blieb eine halbe Stunde, um ihre Tochter ins Krankenhaus zu bringen.

FÜNFUNDVIERZIG
    Die Eiszapfen schmolzen. An den Spitzen hingen winzige silberne Tropfen. In ihnen spiegelte sich eine Stadt voller winziger Menschen, die ihren Geschäften nachgingen. Wahnsinn. Die Sonne blitzte, und die Tropfen wurden länger, glitten am Eis entlang, sammelten sich zu weichen, wunderschönen Formen. Sie streckten sich, bis das dünne Band, das sie mit dem Eis verband, endlich riss.
Pling.
    Peter machte die Augen auf. Er lag im Bett. Seine Zunge klebte am Gaumen. Er löste sie und leckte sich die trockenen Lippen.
    «Ann?»
    Hatte er es laut gesagt? Er versuchte es noch einmal.
    «Ann?»
    Sie hatte mit den Kindern zu tun. Sie würde bestimmt bald kommen.
    Er drehte den Kopf. Dort stand ein Glas mit einem leuchtend grünen Strohhalm. Und einer klaren braunen Flüssigkeit. Tee vielleicht. Nicht Ginger Ale. Dunkler. Er hustete. Irgendein Saft. Ja.
    Er blinzelte. In seinen Schläfen trommelte es. So ging es nicht. Er musste sich langsamer bewegen. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Viel besser. Jetzt, wo das geschafft war, konnte er einen Arm unter der Decke herausziehen. Ja, da warer. Das Rascheln klang nach einem Reptil, aber es war sein Arm. Peter hielt sich die Hand vor die Augen und betrachtete erleichtert seine Finger. Fünf Finger. Er ballte die Hand zur Faust und streckte die Finger wieder aus. Dann streckte er sie nach dem Glas aus.
    Das Glas war weich. Weich? Er musste aufpassen, dass er es nicht zu fest anfasste und den Saft herausquetschte. Jetzt bewegte es sich. Der Strohhalm wippte.
    Auf einmal war es weg. Er blinzelte. Trommelschläge. Er hatte vergessen, sich langsam zu bewegen. Er stützte sich auf einen Ellbogen auf und linste über den Bettrand. Da lag das Glas in einem See aus brauner Flüssigkeit.
    Der Husten schüttelte ihn so sehr, dass er beinahe aus dem Bett fiel. Mit letzter Kraft ließ er sich wieder in die Kissen sinken.
    Was war das? Irgendwer hatte ihm eine Schüssel mit Grapefruit gebracht. Genau das, was er sich wünschte. Er langte mit dem Löffel hinein, fischte ein helles, längliches Stück heraus und schob es sich in den Mund. Köstlich. Jetzt ein saftiges Stück Wassermelone. Saft rann ihm übers Kinn.
    Als er die Augen wieder aufmachte, sah er, dass erneut Zeit vergangen war. Woher er das wusste, war ihm nicht ganz klar, doch die Atmosphäre im Zimmer hatte sich verändert. Es musste später am Tag sein.
    Er hustete. Als er die Hand vom Mund nahm, war sie rot. Seine gesprungenen Lippen bluteten.
    Ann hatte zu viel zu tun. Er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie nicht wusste, wann er Durst hatte. Wenigstens einen Schluck Wasser musste er sich doch selbst holen können. Das war nicht schwer, und er fühlte sich stark genug.
    Er schlug die Decken zurück und stellte die Füße auf den Boden. Sein Atem ging laut und keuchend, er ruhte sich einenAugenblick aus. Dann hob er das Glas auf. Er wollte es selbst wieder füllen.
    Peter stand auf. Er war ein bisschen wacklig auf den Beinen, aber wenn er es langsam anging, konnte nichts passieren.
    Er schlurfte über den Teppich. Aus irgendeinem Grund wurden seine Socken unangenehm nass. Er lehnte sich an die

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