Die Luft, die du atmest
Wand und zog sie aus. So war es besser.
Vor seiner Tür lagen Sachen. Ein Eimer und Lappen, wie es aussah. Er umging sie und bewegte sich durch den Flur. Es war schön, mal aus dem Bett zu kommen. Es würde schön sein, Maddie und Kate zu sehen. Seine beiden hübschen Töchter. Wenn sich eine von beiden umdrehte und ihn sah, würden sie bestimmt alles stehen und liegen lassen und zu ihm gelaufen kommen.
Wieso stand er hier? Er wollte doch irgendwas. Als er schlucken musste und den Schmerz spürte, fiel es ihm wieder ein. Wasser. Er wollte sich ein Glas Wasser holen. Ann hatte neulich etwas über das Wasser gesagt. Aber er wusste nicht mehr, was. Egal. Wenn er sie sah, würde er sie fragen. Er lächelte bei der Vorstellung, wie sie sich freuen würde, wenn sie ihn ins Zimmer kommen sah.
‹Oh, Peter›, würde sie sagen und zu ihm kommen. ‹Du fühlst dich besser.›
Und tatsächlich. Er fühlte sich besser.
SECHSUNDVIERZIG
Ann schaute in den Rückspiegel. Maddie erwiderte ihren Blick. Mit den gedunsenen Wangen und den fast zugeschwollenen Augen war sie kaum wiederzuerkennen. Die Wirkung des Epinephrins würde nicht mehr lange vorhalten. Sie hatten dreißig Minuten, und davon waren zehn schon vorbei. Warum hatte sie fünf damit verschwendet, im Haus noch lauter Sachen zusammenzusuchen? Eine weitere hatte es gedauert, das Garagentor aufzumachen, ein paar kostbare Sekunden, um die Hintertür abzuschließen. Sie hatte sich nicht die Zeit genommen, das Garagentor zu schließen oder die Koffer auszuladen. Sie hatte nicht einmal bei Peter angeklopft, um ihm zu sagen, dass sie ins Krankenhaus fuhren. Das würde schon gutgehen. Er würde nicht einmal merken, dass sie weg waren. Er hatte den größten Teil des Tages geschlafen.
«Halt durch», sagte sie zu Maddie. «Wir sind fast da.»
Sie fuhr auf die Schnellstraße. In der Ferne tauchte eine blaue Limousine auf. Es war also noch jemand unterwegs. Dann war bestimmt auch das Krankenhaus geöffnet. Das Auto schoss durch eine Kurve auf sie zu. Irgendwas daran war seltsam. Aber was? Einen Augenblick später wusste sie es. Das Auto fuhr auf ihrer Straßenseite und hielt direkt auf sie zu.
«Mom!», schrie Kate.
Ann wich auf die Standspur aus. Das Auto schoss vorbei, der Fahrer sah sie an und griente.
Kate blickte ihm nach. «Was sollte das denn?»
«Keine Ahnung.»
Er war vollkommen durchgeknallt.
Anns Hände zitterten. Sie wischte sich erst die eine, dann die andere an den Jeans ab. Peter hatte recht. Die Welt war aus den Fugen geraten.
Vor ihnen tauchte ein hohes graues Gebäude auf. Sie nahm die nächste Ausfahrt. In der Kurve konnte sie den Parkplatz sehen. Er war zu einem Teil mit Autos besetzt, aber das musste nichts heißen. Hoffentlich hatten sie ihre kostbaren Minuten nicht umsonst verbraucht.
«Guck mal, Mom», sagte Kate.
Gott sei Dank.
«Ja, ich sehe sie.»
Am Eingang zur Notaufnahme drängten sich Menschen. Sie fuhr ein Stück weiter, um sich von der Menge zu entfernen.
«Dürfen wir hier parken?», fragte Kate.
«Das wird schon gehen.» Sie stieg aus und machte die hintere Tür auf. Drei Kinder starrten ihr entgegen. «Komm, Maddie, wir müssen uns beeilen.»
Maddie kletterte von ihrem Sitz. Ann konnte das leise Pfeifen ihres Atems hören. Sie zog ihrer Tochter eine Maske über. Sie reichte ihr bis übers Kinn. Peter hatte nur die Erwachsenengröße gehabt. Ann drückte den Metallstreifen an Maddies Nase fest. Sie zog ein Stück Isolierband von der Rolle und schnitt es ab. Maddie schüttelte den Kopf. Ann nahm sie bei der Hand. «Wir müssen es machen. Es wird nicht wehtun, Schatz. Wenn wir wieder zu Hause sind, mache ich es mit Vaseline ab. Genau, als ob du ein Pflaster hättest.»
Sie klebte eine Seite der Maske fest, schnitt einen zweiten Streifen zu und fixierte auch die andere. «Sag Bescheid, wenn dir das Atmen schwer wird.»
In Maddies Augen über der Maske lag Angst.
«Gib mir deine Hände.»
Maddie streckte die Arme aus, und Ann zog ihr Latexhandschuhe an. Die Finger hingen schlaff herab. Ann rollte die Handschuhe hinten ein, damit sie besser passten. Wenigstens waren Maddies Handflächen und Finger geschützt. «Du darfst nichts anfassen.»
Rasch streifte auch sie sich eine Maske und Handschuhe über und langte dann nach dem Türgriff.
«Darf ich nicht mit?», fragte Kate.
«Ich will nicht, dass du und Jacob mit reinkommt. Da sind überall Kranke. Ihr seid hier draußen sicherer. Bleib einfach im Auto sitzen. Lass die Türen
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