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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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Tag ist heute?»
    «Der fünfte.»
    «Gut», krächzte er.
    Wieder ein Strohhalm voll Saft. Sie sah ihn erwartungsvoll an. Sie wollte etwas. Was wollte sie? Sie hielt ihm ein Papiertaschentuch hin.
    Er hustete, und sie hielt ihm das Taschentuch vor den Mund.
    «Was machst du für ein Gesicht?», sagte er. «Was hast du?»
    «Unser Wasser riecht irgendwie komisch.»
    «Dann dürft ihr es nicht trinken. Vielleicht hat das Wasserwerk   … was beigefügt, damit man erkennt, dass es nicht gut ist.»
    «Kann ich es nicht abkochen?»
    «Das tötet die Bakterien   … aber wer weiß, was mit den Chemikalien ist.» Das Reden strengte seine Lunge an, und er lehnte sich keuchend zurück.
    Sie warf das Taschentuch weg, irgendwo neben das Bett. Wie viele Taschentücher hatte er verbraucht? Wo kamen sie alle hin? Der Teppich musste von einer weißen Flut überschwemmt sein, eine weiße Woge würde aufsteigen und sein Bett davontragen.
    «Dem Baby scheint es auch gutzugehen», sagte sie. «Viel leicht ist es wirklich immun.»
    Dem Baby ging es gut. Wie konnte das sein? Sie hatten es doch schon vor so langer Zeit verloren. Er erinnerte sich an das Gefühl, ihn in den Armen zu halten, an das runde Köpfchen und die ruhigen blauen Augen. Diese Erinnerungen konnte die Zeit nicht auslöschen, auch wenn ihm die Tage jetzt verschwammen. Er wusste noch genau, wie er sich an den Feuerwehrleuten und Rettungssanitätern vorbeigedrängt und Ann gefunden hatte, wie sie auf den Stufen saß und die kleine Kate umschlang und sie um keinen Preis loslassen wollte. William war tot. Und von da an war es nie wieder so gewesen wie vorher.
    Sie tröpfelte ihm mehr Saft auf die Zunge. «Barneys Wunde scheint zu heilen. Auch wenn er mich nicht nahe genug heranlässt, damit ich seinen Verband wechseln kann.»
    Er hatte Mühe, ihr zu folgen. War Barney ein Freund oder ein Nachbar? Ein Verwandter von ihr? Als sie sich zu ihm herunterbeugte, waren auf einmal zwei Anns da. Doch als sie sich aufrichtete, wieder nur eine.
    «Ich glaube, er mag mich nicht. Du kannst viel besser mit Tieren umgehen.»
    Jetzt fiel es ihm wieder ein. Der Köter. Das arme Tier, dassich zu dem Haus geschlichen hatte, das sein Zuhause gewesen war, und zu seinem Herrchen, das es nur noch durch das Fenster sehen konnte.
    Jetzt hielt Ann ihm eine Stoffeule vor die Nase. Er blinzelte, um sie besser sehen zu können. Sie wollte, dass er sie reparierte, wieder heil machte. Der blassbraune Körper baumelte schlaff in der Luft, die großen schwarzen Augen blickten starr. Aber sein Spezialgebiet waren Zugvögel. Das musste Ann doch wissen.
    «Von Kate. Sie will, dass du sie bei dir hast.» Sie setzte die Eule auf den Nachtschrank.
    Er hatte nicht mitbekommen, dass sie sie mit ins Zimmer gebracht hatte. War sie gerade noch einmal hereingekommen? War sie rausgegangen und wiedergekommen? Er versuchte sich das Hemd, das sie trug, genauer anzusehen. Es war gestreift. Hatte sie das vorhin auch angehabt?
    «Die habe ich ihr doch geschenkt.»
    Ann zog die Brauen zusammen. Er hatte etwas Falsches gesagt. Dann glättete sich ihr Gesicht wieder, und sie lächelte. Das Unglück war verflogen. Er war erleichtert.
    «Das stimmt, Schatz», sagte sie. «Du hast ihr erklärt, dass Eulen Nachttiere sind.»
    Die Eule sollte sie beschützen, wenn sie schlief. Kate hatte früher vor Angst nicht einschlafen können, und da hatte er sich das einfallen lassen, damit sie ruhiger wurde. Er erinnerte sich an die schwülwarmen Julinächte, in denen sie zu dritt unter einem Ventilator gelegen hatten, ohne sich zuzudecken. Kates kleine Finger hatten sich in seine Hand gekrallt, während er ihr erklärte, dass die Sterne ihnen nicht vom Himmel auf den Kopf fallen würden und dass in den Schränken keine Gespenster wohnten, die sie beobachteten.
    Er hörte seine Töchter irgendwo spielen. Eine von ihnensang. Er musste daran denken, wie Ann beim Malen gesungen hatte, schief, und immer wieder dieselbe Melodie. Er sehnte sich danach, es noch einmal zu hören.
    Jetzt hatte sie eine Schüssel. Dampf stieg daraus auf. Im Zimmer war es dunkel. Wieder war Zeit vergangen. Mühsam versuchte er sich aufzurichten.
    «Hunger?», fragte sie, tauchte einen Löffel in die Schüssel und führte ihn an seinen Mund.
    Er wollte, dass sie wegging. Er warf die Decke von sich, sie stand da und griff nach seinem Arm. Er schüttelte sie ab. Bei der Bewegung schoss ihm ein Schmerz durch den Kopf und bohrte sich wie ein Messer zwischen seine Augen. Er

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