Die Luft, die du atmest
Mutter für eine Weile zu uns kommen.»
«Na, siehst du.» Anns Eltern waren nicht ans Telefon gegangen. Und natürlich hatten sie kein Handy. Wahrscheinlich waren sie unterwegs, genau wie sie auch. Ann würde es wieder versuchen, sobald sie zu Hause war.
Libby warf ihr einen Blick zu. «Und du? Wirst du überhaupt weiterbezahlt?»
«Weiß ich nicht.» Eine Sorge mehr. «Lass uns lieber auf dem Rückweg an einem Geldautomat halten.»
«Gute Idee.» Libby fuhr auf den Supermarktparkplatz und musste stark bremsen. Der gigantische Platz war gerammelt voll mit Autos, sie standen sogar auf den Bordsteinen und den Grasinseln. Weitere schlichen durch die Reihen, die Scheinwerfer hellerleuchtet, hinter ihnen schlappe Auspufffahnen. «Ach, du großer Gott!»
Ann reckte den Arm. «Da drüben fährt einer raus.»
Libby lenkte ihren Wagen in die Lücke und stellte den Motor aus. Sie machte den Kindersitz los.
Ann warf die Tür zu und sah sich nach Einkaufswagen um. Einer stand verlassen in der Nähe. Den holte sie und half Libby, den Kindersitz darauf festzumachen. Am Bordstein stand noch ein Wagen, den sie sich sicherte. «Nimm du den Kleinen. Ich fange beim Brot an.»
Die Doppeltür glitt auf. Libby schob ihren Wagen nach rechts, während Ann nach links eilte.
Trauben von Kunden versperrten den Durchgang. Ann wühlte sich durch die Menge, um in den Gang mit den Backwaren zu gelangen, und blieb ungläubig vor der langen Regalwand stehen. Sämtliche Fächer waren leer. Nicht ein einziger Laib, kein einziger Beutel mit Brötchen mehr. So etwas hatte sie noch nicht erlebt, nicht einmal, als Alarmstufe 5 verkündet worden war. Vielleicht gab es –
Ein Mann in einer weißen Windjacke lief vorbei. An seiner Brust prangte ein Namensschild.
«Entschuldigung», sagte Ann. «Wann kriegen Sie wieder Brot rein?»
«Sehr witzig.» Er stolzierte von dannen.
Na schön. Hier gab es also kein Brot mehr, vielleicht hatte sie in der Feinkostabteilung mehr Glück. Sie schob ihren Wagen dorthin.
Und tatsächlich standen gleich hinter der Schwingtür vor den Vitrinen mit Wurst und Käse zwei Regale mit Brot. In ihnen wühlten Leute. Ann drängte sich dazwischen und bückte sich. Sie erwischte zwei Plastiktüten. Erst am Wagen konnte sie sehen, was sie hatte. Englische Muffins mit Zimt und Rosinen. Sie zog ihren Mantel aus und legte ihn über die Sachen in ihrem Wagen. Dann warf sie sich wieder ins Gedränge. Roggen. Weizen. Die Leute gebrauchten ihre Ellbogen.
«He», rief jemand in der Nähe.
«Sie können mir das nicht verbieten.» Eine zweite Stimme, genauso laut. «Solange ich dafür bezahle, kann ich so viel nehmen, wie ich will. Das hier ist ein freies Land!»
Ann angelte ein paar Brote aus dem untersten Regal. Erleichtert befreite sie sich aus dem Gerempel. Sie stopfte das Brot unter ihren Mantel und strebte weiter. Eine Nummer für die Frischetheke zu ziehen, konnte sie vergessen. Ein Blick auf die langen Schlangen reichte. Wenn sie Aufschnitt wollte, würde sie sich mit abgepackter Ware aus dem Kühlregal begnügen müssen.
Milch.
Der Weg zu den Molkereiartikeln führte durch die Fleischabteilung, und sie langte an den anderen Einkaufenden vorbei nach Hähnchenbrust und Hackfleisch. Ohne sie in Kühltüten zu verstauen, warf sie die Packungen in ihren Wagen und legte das Brot obendrauf. Wie viel brauchte sie? Aus den Augenwinkeln sah sie eine Frau, die sich mit einem Turm aus Styroporpaketen von der Fleischtruhe abwandte. Ann griff blindlings so viel sie kriegen konnte. Sie würde die Sachen mit Libby teilen.
In der Molkereiabteilung war kein Durchkommen. Sie zogihren Wagen so dicht an sich, wie es ging, und versuchte, an den Schultern und Köpfen vorbeizuspähen. War sie zu spät dran? Sie kam einfach nicht weit genug heran, um irgendetwas erkennen zu können.
«Wir stehen hier Schlange, wissen Sie», schimpfte eine Frau.
Schön. Das war gut. Hier herrschte also immerhin eine gewisse Ordnung. Ann stellte sich an und wartete. Langsam schob sie ihren Wagen vorwärts. Hinter den Regalen schoben Hände Milchkartons durch die Plastikklappen. Gallone um Gallone knallte an ihren Platz und wurde sofort mitgenommen.
Sie nahm in jede Hand eine Gallone und wuchtete sie in ihren Wagen. Sie drehte sich um und wollte noch zwei nehmen. Die Mädchen tranken viel Milch. Sechs wären nicht zu viel.
«Jetzt ist Schluss», sagte der Mann hinter ihr.
Aha. Die Menge war also begrenzt. Ann nickte. «Ich bringe meiner Nachbarin welche
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