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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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im Wasser lag. Er befreite ihn aus den Ranken, die ihn hielten, und zerrte ihn ans Ufer. Dann zertrat er ihn in handliche Stücke. Die Stöcke würden reichen, das Zimmer für eine Viertelstunde zu wärmen.
    Der nächste Fund, ein dicker knorriger Ast. Er war schon lange tot, und an einer Seite verlief ein langer Schimmelstreif. Er verströmte muffigen Geruch. Aber er würde reichen, um eine Büchsensuppe warm zu machen.
    Ein paar Biegungen weiter kam er in ein Wohngebiet, das anders aussah als ihres. Die Häuser waren groß und lagen weit von der Straße zurück. In einem Garten war ein Swimmingpool,in einem anderen ein Teich. Hinter den Häusern floss der Scioto, ein dunkles Band aus Wasser, das sich in der Ferne verlor. Über der Allee bildeten die langen Zweige von Eichen, Judasbäumen und Robinien ein Dach. Es waren alte Bäume, und sie warfen jede Menge tote Äste ab. Ein echter Glückstreffer. Er sammelte so viele ein, wie er konnte, und stapelte sie rasch auf dem Schlitten, möglichst dicht, damit er ihn hoch beladen konnte. Anschließend streckte er sich.
    Auf einer Seite der Straße verlief ein langer Eisenzaun. Das Haus dahinter hatte drei Stockwerke, zwei Schornsteine, Natursteinbögen, einen gepflasterten Hof und seitlich davon Tennisplätze. Das Tor hing schief über der Einfahrt. Es war in der Mitte verbogen, als hätte es jemand gerammt. Ein verstörender Anblick. Auf den Torpfosten hatte jemand mit dicker Farbe einen schwarzen, schräg durchgestrichenen Kreis gemalt. Er sah nicht aus wie eine Graffiti-Schmiererei, sondern wie ein Symbol mit einer feststehenden Aussage. Peter schaute die Straße entlang, aber außer dem kaputten Tor war nichts zu sehen, das auf Vandalismus hindeutete.
    «Die sind weg», sagte jemand.
    Peter drehte sich um. Auf der anderen Straßenseite stand ein kleines Mädchen. Sie war etwa so alt wie Maddie und wirkte ähnlich ungekämmt.
    Jetzt kam sie näher und stapfte über den vereisten Schnee und das tote Gras bis an den Zaun, der ihren Garten einfasste. «Der große Laster hat sie geholt.» Sie legte ihre Finger um die Gitterstangen. Das blonde Haar hing ihr strähnig bis auf die Schultern. Sie trug einen roten Wollmantel mit einem breiten schwarzen Pelzkragen. «Wenn der Laster kommt, muss man sie reinlassen.»
    Sprach sie von einem Umzugswagen? Vielleicht hatte der Fahrer zu schnell in die Einfahrt gewollt und dabei aus Versehendas Tor gerammt. Doch das war noch keine Erklärung für den schwarzen Kreis.
    «Ach so», sagte Peter.
    Sie musterte ihn. «Du darfst nicht reinkommen, hat meine Mutter gesagt.»
    Er nickte. «Deine Mutter hat recht.»
    «Amelia!»
    Eine Frau lief über den großen Rasen auf ihn zu. Als sie das kleine Mädchen erreichte, packte sie es am Arm und riss es vom Zaun fort. Sie kauerte sich vor ihre Tochter und strich ihr über den Mantel. «Haben Sie sie angefasst?», fragte sie Peter. Sanft schüttelte sie Amelia. «Schatz, hat er dich berührt?»
    «Das würde ich nie tun», antwortete Peter an ihrer Stelle.
    Die Frau stand auf und funkelte ihn böse an. «Schämen Sie sich. Sie sollten es besser wissen.»
    Wie sie so dastand, von gerechtem Zorn erfüllt, ihrer Überzeugungen unumstößlich sicher, schlich sich, ehe er sich dagegen wehren konnte, ein verräterischer Gedanke in seinen Kopf.
Sie war genau wie Ann.
    Wie konnte man sich nur weigern, ein Baby zu retten?

ACHTUNDZWANZIG
    Ann lief die Straße hinunter, ihre Stiefel rutschten auf dem geschmolzenen, wieder fest gewordenen Schnee, ihr offener Mantel wehte. Panisch suchte sie nach einem großen schlanken Mädchen in einem leuchtend roten Mantel. «Kate!»
    Vorbei an dem abgebrannten Haus, das verlassen dastand, das Grundstück übersät mit schwarzen, zerbrochenen Dingen, vorbei am Haus der Foxes mit der vor Wochen erstarrten Weihnachtsdekoration, die so lächerlich, so unendlich traurig aussah, vorbei an Finns Haus – um ihn würde Kate gewiss einen weiten Bogen machen – bis ans Ende der Straße. Dort arbeitete Mr.   Nguyen an einer Hauswand. Er schüttelte bloß stumm den Kopf, als Ann ihm ihre Frage zurief, und begab sich wieder an die Arbeit.
    War sie von einer ihrer Freundinnen abgeholt worden? Nein, ein Auto hätte Ann bestimmt gehört. Sogar im Haus. Das Brummen eines Motors wäre in der Stille sofort aufgefallen. Trotzdem rannte sie zur Hauptstraße vor und spähte in beiden Richtungen nach einem davonfahrenden Auto. Nichts.
    Verzweifelt sah sie sich nach allen Seiten um. Dann fiel

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