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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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alles gründlich, selbst die Griffe an Kühlschrank und Ofen. Vielleicht hatte jemand dort hingegriffen. Das Baby konnte gehustet haben. Sie würde den ganzen Tag damit zubringen, alles zu putzen, mit dem die Mädchen in Berührung kommen könnten – die Klobrille und den Spülknopf, Türknöpfe, das Treppengeländer.
    Im Wohnzimmer schlief Jacob auf Shazias Arm. Das Babywar an ihren Körper geschmiegt, sein Köpfchen lugte aus der Decke, seine kleine Hand lag gespreizt auf ihrem Pullover. Was war, wenn er die Grippe hatte? Auch wenn er jetzt vollkommen gesund wirkte, konnte er mit jedem Atemzug Milliarden von tödlichen Viren verbreiten. Shazia summte und wiegte ihn im Arm. Wenn er krank wurde, würde sie nicht mehr so ruhig sein. Das ganze Elend eines krankes Kindes, der plötzliche Fieberanstieg, die zugepressten Augen, die kleinen Fäuste und der steife Rücken, die Untröstlichkeit. Man konnte es nicht einfach hinlegen und sich selbst überlassen. Man musste es im Arm halten und warten, ob die Medizin wirkte. Man musste bei ihm bleiben.
    Ann zerbröckelte Müsliriegel über Schüsseln und gab eine Handvoll getrockneter Cranberries dazu. Sie vermischte das letzte Milchpulver mit Wasser und rührte um. Es war Wochen her, seit sie das letzte Mal Milch oder Käse gegessen hatten. Irgendwo hatte sie mal gelesen, dass Menschen für Hunde alle nach saurer Milch rochen. Wie sie wohl jetzt rochen?
    Sie trug die Schüsseln nach oben und stellte sie auf den Nachtschrank. Im Bett war nur ein kleiner Berg. Ann ließ sich auf die Matratze fallen. «Maddie.»
    Ihre Tochter stöhnte und vergrub den Kopf unterm Kissen.
    Ann nahm ihr das Kissen weg. «Schätzchen, wach auf.»
    Maddie drehte sich um und blinzelte. Dann lächelte sie. «Morgen, Mom.»
    «Morgen, mein Schatz. Hier ist dein Frühstück.» Maddie schob sich hoch und nahm die Schüssel entgegen, die Ann ihr hinhielt. «Wo ist Kate?»
    «Wahrscheinlich im Bad.»
    Maddie betrachtete den Inhalt ihrer Schüssel. «Was ist das?»
    «Müsli.»
    «Das sieht aber komisch aus.» Trotzdem fischte sie mit den Fingern ein paar Krümel heraus. «Wir dürfen hier oben doch gar nicht essen.»
    «Es könnte sein, dass Jacob krank ist», sagte Ann. «Weißt du noch? Und bis wir uns da sicher sind, will ich, dass ihr beide hier oben bleibt.»
    «Dann dürfen wir nicht mit ihm spielen?»
    Der erste Funken Hoffnung, den sie seit Tagen in Maddies Stimme hörte, und sie würde ihn ersticken müssen. «Nein.»
    Der Glanz in Maddies Augen erlosch. «Wie lange denn nicht?»
    «Bis übermorgen.» Ann strich Maddie eine Haarsträhne hinters Ohr. «Ich dachte, wir könnten heute vielleicht Sockenpuppen basteln.»
    «Und was ist mit Dad?»
    Dad darf nicht in eure Nähe kommen. Er ist eine wandelnde Zeitbombe. Dad hat euch gefährdet. Er hat uns alle gefährdet.
Sie hatte sich dazwischengestellt, und Peter hatte das Baby trotzdem reingeholt. Obwohl er die Gefahr genau kannte. Wenn das Baby krank war, würde es sie alle anstecken. Dann gab es kein Entkommen mehr. «Er holt Holz von draußen.»
    «Hier oben ist es furchtbar kalt, Mom.»
    «Ich weiß, mein Schatz.» Ann zog die Decke hoch und legte sie Maddie fest um die Schultern. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal in eine Situation kommen würde, wo sie ihren Töchtern Wärme vorenthielt. Aber es gab keinen Zweifel, was richtig war. Sie hätte auch nie geglaubt, dass sie ihrer besten Freundin den Rücken kehren könnte. Das Leben war hart. Das Leben verlangte unmögliche Entscheidungen von einem. Bis man gezwungen war, sie zu treffen, kannte man sich selbst eben nicht wirklich. «Das Baby ist kleiner. Es muss unten am Feuer sein.»
    «Na dann.»
    Kate brauchte zu lange im Bad. Eiskalt musste es dort sein. Sie sollte so bald wie möglich wieder unter die Decke kriechen. Vielleicht war sie krank. Ann stand auf und rannte förmlich zum Badezimmer. Sie klopfte an der Tür. «Kate?»
    Keine Antwort. Sie klopfte noch einmal. Sie drehte den Knopf und stieß die Tür weit auf. Sonne strömte über die Fliesen, über das Waschbecken und die Badewanne, über die Toilette. Keine Spur von Kate.
    Ann lief zurück ins Schlafzimmer. Maddie hatte ihre Schüssel zur Seite gestellt. Sie wirkte besorgt.
    «Kate?», rief Ann und lief in die Diele. Sie sah in den Zimmern der Mädchen nach, in ihren Badezimmern, sogar im Gästezimmer. Sie rannte zur Treppe. «Shazia?»
    «Ja?» Mit Jacob auf dem Arm kam Shazia in den Flur. «Was ist?»
    «Ist Kate da

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