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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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griff mit seinen dicken Händchen nach dem vollen Löffel.
    Shazia fing seinen Arm ab. «Nein, nein, Kleiner.»
    Von oben rief Maddie: «Kann ich
bitte
runterkommen?»
    «Ich habe es dir gesagt, Maddie. Nicht vor morgen.» Ann trug den Topf in die Küche. Sie verteilte das Hühnerfleisch auf die Schüsseln der beiden Mädchen und gab Flüssigkeit dazu. Sie hatte eine Dose Wasser mehr genommen. Es würde eine ziemlich dünne Suppe sein.
    «Aber Kate schläft. Und ich hab solche Langeweile.»
    «Es gibt gleich was zu essen. Und danach können wir Karten spielen.»
    «Warum kann Dad mit Jacob zusammen sein, aber wir nicht?»
    Ann stellte den Topf ab. «Darum.»
    Jacob schlug gegen den Löffel, der ihm vor den Mund gehalten wurde, und gluckste vor Freude, als der Brei zu allen Seiten spritzte. Shazia hielt seine Hand fest. «Nein, nein.»
    Ann schlüpfte in ihren Mantel und zog sich die Mütze über die Ohren. Sie nahm den Müllbeutel, der am Schrank lehnte, schloss die Schiebetür auf und trat nach draußen. Winterluft fegte ins Haus, bis sie die Tür wieder hinter sich zugezogen hatte.
    «Jacob wirkt vollkommen gesund», sagte Shazia zu Peter. «Vielleicht hat seine Mutter die Wahrheit gesagt.»
    «Kann sein.» Diese Möglichkeit hatte Ann von vornherein verworfen. Dabei wusste sie, wie es war, ein Kind zu verlieren. Wie konnte sie so einfach dazu bereit sein, eine andere Mutter das Gleiche durchmachen zu lassen?
    «Ist sie gut mit Ann befreundet?», fragte Shazia.
    Sie waren Freundinnen, seit sie in das Haus gezogen waren. Libby war noch am gleichen Tag zu ihnen herübergekommen und hatte ihnen zur Begrüßung einen Teller angebrannte Brownies gebracht. «Ann ist Jacobs Patentante.»
    Er hatte hinten in der Kirche gestanden, auf Einladung von Smith, und zugesehen, wie Ann am Altar Libby das Baby abnahm.Er hatte es nicht ausgehalten, wie traurig sie dabei aussah. Er war still und leise gegangen.
    «Ach, deswegen guckt sie ihn so an.»
    Das Mitgefühl in Shazias Stimme war unverkennbar. Peter sah sie an. «Du willst doch nicht sagen, dass du es richtig findest, wie sie gehandelt hat?»
    Shazia zuckte die Achseln und wischte Jacob noch einmal das Kinn ab. «Ann ist eine Mutter. Ich weiß nicht, wie das ist.»
    War das ein Zeichen von Frauensolidarität? Das hätte er nicht erwartet. Shazia schien immer so logisch zu denken, so rational. Sie ließ sich immer eher vom Objektiven als vom Subjektiven leiten. Von Fakten, nicht von Gefühlen. Nie hätte er geglaubt, dass sie und Ann in ihrer Einstellung etwas gemeinsam hätten.
    Die Schiebetür ging wieder auf. «Peter, kannst du mal kommen?»
    Ann stand in der Tür. Sie klang aufgeregt. Müde stand er auf und reichte Shazia den Löffel. Er nahm seine Jacke vom Haken, zog sie über und holte die Handschuhe aus der Tasche. «Was ist?»
    Sie zeigte auf den Boden.
    Er folgte der Linie ihres Fingers zu den beiden Schüsseln, die unmittelbar neben der Schutzhülle für den Grill auf den Fliesen standen.
    «Das ist nicht dein Ernst, oder?», sagte sie.
    «Ich habe ihm nur Dinge gegeben, die wir nicht gegessen haben.» Sie erinnerte ihn so an seinen Vater. Sie sah genauso enttäuscht aus wie er, als er Peter dabei erwischt hatte, wie er die Fallen unschädlich machte, die sein Vater aufgestellt hatte.
    «Was haben wir nicht gegessen, Peter? Nenn mir eine Sache. Heute haben die Mädchen Kräcker mit Senf zum Mittagessenbekommen.» Sie schluckte. «Und sie haben sie gegessen.»
    Er sah sie an, ihre rissigen Lippen, die unordentlich zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haare. Er dachte daran, wie sie das Hühnerfleisch aus der Suppe herausgepickt und auf die Schüsseln der Mädchen verteilt hatte. Beim Essen spielte sie mit den Mädchen, bis sie jeden letzten Bissen verzehrt hatten. Sie versuchte um jeden Preis zu verbergen, dass ihre eigene Schüssel bloß halbgefüllt war.
    Er streckte die Hand aus. «Ann, du bist eine gute Mutter. Ich hab das vorhin nicht so gemeint.»
    Sie zuckte zurück. «So war es zwischen uns immer.»
    «Nein, das war es nicht. Weißt du das nicht mehr?»
    «Ich war dir nicht gut genug. Unsere Kinder waren dir nicht gut genug. Unser gemeinsames Leben war dir nicht gut genug.»
    «Das stimmt nicht. Aber ich hatte es satt, immer bloß unglücklich zu sein. Auch du hast es verdient, glücklich zu sein.»
    Sie stopfte die Hände in die Taschen. «Hör auf damit.»
    Er wusste, woran sie dachte, woran sie ohne Unterlass dachte. «Du weißt, dass ich dir keine Schuld

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