Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
Vom Netzwerk:
selben Augenblick aufgeben, in dem ihr Kind geboren wird? »Schreib weiter«, hört sie Addie am gestrigen Abend zu sich sagen. »Das wird dir helfen.«
    »Eins ist allerdings anders an dieser speziellen Bestattung«, sagt Dustin jetzt, steht auf und lehnt sich mit verschränkten Armen in den Türrahmen.
    Nur eins?, denkt Scarlet. Was könnte er meinen? Den Leichentransport in einem Kühlwagen? Die Beerdigung an einem so unverfroren illegalen Ort?
    »Was denn?« Sie fürchtet sich vor der Antwort.
    »Ich weiß immer noch nicht, wo wir sie begraben werden. Du?«

    Draußen finden sie Tom, der mit der Taschenlampe in der Hand langsam den steilen Hügel hinter dem Cottage hochklettert. Er versucht gerade, das Stück Land abzuschreiten, das er vor siebenunddreißig Jahren zusammen mit der Hütte erworben hat, erklärt er Scarlet und Dustin.
    »Ich konnte die verdammte Kaufurkunde erst ewig nicht finden«, sagt er. »Um die Grundstücksgrenze hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Aber wir können Addie natürlich nicht hier unten in der Nähe des Hauses begraben.«
    »Nein, nicht auf einer solchen Überflutungsfläche«, stimmt Dustin zu. »Wir müssen einen Platz finden, der weit genug vom Bach entfernt ist und auch weit genug von eurem Brunnen. «
    »Genau«, sagt Tom. »Aber wir besitzen nicht das ganze Stück bis zum Kamm hoch, und selbst wenn es so wäre, kämen wir damit doch ein bisschen zu dicht in Sichtweite einiger der Gebäude auf dem Campus. Und diese Flanke ist steil und bewaldet. Ich weiß nicht so recht, wie wir an den ganzen Wurzeln vorbeigraben sollen.«
    Dustin streckt die Hand nach der Taschenlampe aus. »Zeig mir mal, wo du die Grundstücksgrenze vermutest«, sagt er. »Ich wette, ich finde eine Stelle, die funktioniert.« Damit verschwindet er in die Finsternis des Abhangs, und eine Zeitlang hören sie nichts als seine Stiefel, die durch das Unterholz stapfen. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe schwenkt hin und her, während er langsam den Hügel hinaufsteigt.
    Scarlet macht den Mund auf, um etwas zu sagen, aber kein Laut kommt heraus. Sie fasst den Arm ihres Vaters an und sieht ihm forschend in die Augen.
    »Aber das ist nicht das, was sie wollte, Tom«, sagt sie endlich.
    Tom mustert sie zärtlich, dann zieht er sie in die Arme.
»Scarlet«, flüstert er ihr ins Ohr, »das ist eines der Themen, über die Addie und ich in dieser letzten Stunde vor ihrem Tod sprachen. Ich habe keinen Anlass gesehen, Cora und Lou davon zu erzählen, und ich habe angenommen, dass du ohnehin davon ausgehst, dass wir sie einfach hier auf unserem Land begraben.«
    Scarlet löst ihren Kopf aus seiner Umarmung und sieht ihn an. »Wovon redest du denn? Was habt ihr besprochen, bevor sie starb?«
    »Wo sie beerdigt werden wollte, mein Liebling. Im Endeffekt habe ich sie überredet, es uns hier tun zu lassen, auf unserem eigenen Grund und Boden. An einem stillen Ort, ohne die ganzen anderen Komplikationen.« Er streicht Scarlets Haar glatt, eine instinktive Geste, etwas, was er tut, seit sie ein Kind ist.
    »Es bringt doch überhaupt nichts, jetzt so viel Staub aufzuwirbeln«, fährt er fort. »Wir alle wissen es, Scarlet. Es ist zu viel Geld im Spiel. So etwas wie ein an einem unbequemen Ort beerdigter Leichnam wird niemandem vom College zum Umdenken bringen.«
    »Das hätte Addie niemals abgehalten«, sagt sie, und ihre gekränkte Stimme überrascht sie selbst. Seit wann denkt sie wie Addie? »Sie hat sich nie Gedanken um die Erfolgschancen gemacht.«
    »Das stimmt, Scarlet. Aber hier ging es nicht um Erfolgschancen. Dieses Mal ging es nicht um ihre Wut oder um alles, was in der Welt falsch läuft. Es ging endlich um etwas Richtiges, um dich und um dein Kind. Gestern Abend hielt sie meine Hand und sagte: ›Also gut, Tom. Lass uns jetzt ausruhen. Wir alle müssen uns ausruhen, besonders Scarlet.‹«
    Wieder will er die Hand auf ihr Haar legen. »Sie dachte an dich, Scarlet, an dich und ihr Enkelkind.«

    Doch unwillkürlich zieht Scarlet bei diesen Worten den Kopf weg. Hör auf, meine blöden Haare kontrollieren zu wollen! , möchte sie plötzlich schreien.
    Tom hat jetzt die Augen geschlossen, seine Stimme klingt brüchig, erstickt. »›Wir finden einen Platz, an dem du dich wohlfühlst, Addie‹, habe ich zu ihr gesagt. ›Nahe beim Haus, nahe bei uns.‹« Er atmet lange und tief ein, dann wendet er den Kopf der Hügelflanke zu, wo Dustin mit Taschenlampe und Schaufel suchend den Grund abklopft.
    Dann schüttelt er den

Weitere Kostenlose Bücher