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Die Luft, die uns traegt

Die Luft, die uns traegt

Titel: Die Luft, die uns traegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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gar nicht, was dir gefällt.«
    »Die da sind schön.«
    »Ich habe mich nie richtig bei dir bedankt, dass du mich aufgenommen hast.«

    »Du weißt, dass du mir nicht danken musst.«
    Sie trat auf ihn zu, und zum ersten Mal, seit er vor einer Woche zu ihr gekommen war, waren seine Arme die starken, nicht ihre. In ihrem Inneren löste sich etwas. Sie ließ sich von ihm festhalten.
    Bobby warf die Blumen achtlos auf den Boden und zog ihr Gesicht dicht an seins. »Ich habe dein Gedicht über Richard gelesen, nachdem wir uns damals in dieser Bar getroffen hatten«, sagte er. »›Der dunkle Junge steht allein‹«, flüsterte er, sein Atem fühlte sich warm und feucht an ihrem Ohr an, »›während die anderen über die Gräber rasen.‹«
    Sie zog den Kopf zurück, um ihn anzusehen. »Daran kannst du dich erinnern?«, fragte sie und suchte seine Miene nach einem Anzeichen von Ironie ab.
    »Ich kann das ganze Ding auswendig.« Und dann rezitierte er es, Zeile für Zeile, Wort für Wort, während er sie bei der Hand nahm und ins Schlafzimmer führte. Und dieses Mal zog er sie aus, so langsam wie vor all den Jahren, und nahm sie in die Arme.
    »Es könnte sein, dass ich Bobby liebe«, sagt sie jetzt zu Tom. »Und ich glaube wirklich, dass ich dieses Kind mit ihm haben möchte.«
    Tom nickt. Man merkt ihm an, dass er skeptisch ist.
    Ein paar Tage, nachdem er Scarlet die blauen Orchideen schenkte, fuhr Bobby nach Hause, um seine Töchter zu besuchen, und von dort aus zu Cora. Sosehr Scarlet auch gehofft hatte, dass jener Tag ihn irgendwie von seinem Bedürfnis nach Alkohol geheilt hätte – ganz so einfach war es nicht. Er war sogar betrunken, als er nach der Fahrt nach New Jersey zurück in ihre Wohnung kam.
    Im Oktober ließ er sich in eine Entzugsklinik einweisen, und Cynthia reichte die Scheidung ein. Als er nach einer Weile
das Krankenhaus hin und wieder übers Wochenende verlassen durfte, fuhr er zu Scarlet. »Ich werde das durchhalten«, sagte er einmal kurz vor Weihnachten zu ihr. »Für meine Kinder. Für mich, für dich.«
    Während dieser Wochenenden, die er bei ihr verbrachte, weigerte sich Bobby, fernzusehen oder die Zeitung zu lesen. Einmal entdeckte er ein Bild auf einer Zeitschrift, die Scarlet auf dem Couchtisch liegengelassen hatte, auf dem ein kleiner Junge unter einem Bett hervorspähte. Es war der Sohn eines Mannes, der bei den Anschlägen auf das World Trade Center gestorben war, und der Junge hatte sich unter dem Bett versteckt, als ein Reporter gekommen war, um sich mit seiner Mutter zu unterhalten. Was den begleitenden Fotografen allem Anschein nach nicht davon abgehalten hatte, ihn aufzustöbern.
    »Ich kann den Kleinen verstehen«, sagte Bobby. »Manchmal möchte man sich einfach unter dem Bett verstecken.«
    Scarlet lag an ihn gekuschelt auf der Couch. Nun blickte sie von dem Buch auf, das sie las. Bemerkungen wie diese beunruhigten sie.
    »Ich habe irgendwo gelesen, dass alle Vögel in der Nähe der Türme nur Sekunden vor dem Anschlag weggeflogen sind«, erzählte sie, um das Thema zu wechseln.
    Bobby sagte nichts.
    »Addie und Tom sprachen immer über die vielen Vögel, die gegen die Scheiben dieser Türme flogen und starben. Jemand, den sie kannten, forschte darüber. Ich frage mich, was sie wohl von all dem halten. Ich habe ein bisschen Angst, sie danach zu fragen.« Immer noch keine Reaktion.
    »Hör mal«, sagte sie daraufhin und wandte ihm das Gesicht zu. »Ich habe nachgedacht. Ich glaube, ich hätte gern ein Kind.«

    Er starrte sie mit großen Augen und offenem Mund an.
    »Mit mir?«
    Sie versuchte, unbekümmert zu klingen, als sie lachte. »Nein«, entgegnete sie, »mit einem der anderen Kerle, die hier rumlungern, wenn du nicht da bist. Mit wem denn sonst?«
    Er nickte langsam, dann sah er sich im Raum um, als suchte er nach einem Ausgang. Einen kurzen Moment lang befürchtete Scarlet, ihn jetzt wirklich in einen Rückfall getrieben zu haben. Doch dann sah er sie an und lächelte beinahe schüchtern. »Okay«, sagte er. »Das könnten wir probieren. Willst du gleich anfangen?«
    »Ich kann nicht so richtig erklären, warum ich schwanger bin«, sagt Scarlet nun zu Tom, da sie annimmt, dass das seine eigentliche Frage war. »Es kam mir einfach plötzlich wie das Richtige vor.« Sie wendet sich ihm zu und zuckt die Achseln. »Das ist schlimmer als jedes Klischee, oder? Seit dem 11. September heiraten plötzlich alle und bekommen Kinder. Ich schätze mal, ich bin da keine

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