Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
angesteckt.«
Cinder öffnete den Mund. Sie hatte noch etwas sagen wollen, aber das verschlug ihr die Sprache.
»Wenn du nicht gewesen wärst, würde sie heute Nacht zum Ball gehen, also tu nicht so, als hättest du ihr irgendeinen Gefallen getan. Für Peony wäre es das Beste gewesen, wenn du sie einfach in Ruhe gelassen hättest. Dann wäre sie jetzt vielleicht immer noch hier.« Tränen sammelten sich in Pearls Augen. »Und du tust so, als hättest du sie gemocht, als sei sie deine Schwester gewesen. Sie war krank, und du … du hast dich mit dem Prinzen getroffen und mit ihm geflirtet, wo du doch wusstest, was sie für ihn empfunden hat. Das ist wirklich abartig.«
Cinder verschränkte schützend die Arme vor der Brust. »Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber ich habe Peony wirklich geliebt. Ich liebe sie.«
Pearl schniefte einmal laut, als könne sie sich damit vom Weinen abhalten. »Du hast Recht, ich glaube dir nicht. Du lügst, du stiehlst, und du machst dir aus niemandem etwas außer dir selbst.« Sie hielt inne. »Du kannst dir sicher sein, dass der Prinz das erfährt.«
Adris Zimmertür öffnete sich und sie kam in einem weiß-roten, mit eleganten Kranichen bestickten Kimono heraus. »Worüber streitet ihr euch? Pearl, bist du fertig? Können wir los?« Sie musterte Pearl, um zu sehen, ob sie noch Hand anlegen musste.
»Ich kann nicht fassen, dass ihr wirklich geht«, sagte Cinder. »Was sollen die Leute denken, ihr seid doch noch in der Trauerzeit.« Sie wusste, dass sie das lieber nicht sagen sollte, es war unfair, denn sie hatte die beiden durch die dünnen Wände hindurch weinen hören, aber sie war nicht in der Stimmung, gerecht zu sein. Selbst wenn sie gekonnt hätte, wäre sie nicht gegangen. Nicht ohne Peony.
Adri sah sie kühl an, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst. »Die Krönung hat begonnen«, sagte sie. »Geh den Hover waschen. Er soll brandneu aussehen.«
Cinder war froh, dass sie die Krönung nicht mit ihnen zusammen ansehen musste, und widersprach nicht, sondern griff nach ihren Krücken und humpelte zur Tür.
Ein letzter Abend.
Sowie sie den Aufzug erreicht hatte, vernetzte sie sich und holte die Krönungszeremonie in eine Ecke ihres Sichtfeldes. Sie waren noch bei den Vorbereitungen. Gerade marschierten Regierungsbeamte in den Palast, von einer Meute Journalisten und Fotografen umschwärmt.
Sie holte einen Eimer und Waschmittel aus dem Lagerraum, bevor sie zur Parkgarage humpelte, und hörte mit halbem Ohr zu, als der Nachrichtensprecher die Bedeutung der unterschiedlichen Details bei der Krönung erklärte. Die Stickerei auf Kais Robe, die Gestaltung der Krone, die sie über ihm in die Höhe halten würden, wenn er den Eid ablegte, die Anzahl der Gongschläge, wenn er auf den Baldachin zuging. Jahrhundertealte Gebräuche, die aus den vielen Kulturen hervorgegangen waren, die den Staatenbund bildeten.
Die Nachrichten wechselten dauernd vom Fest im Stadtzentrum zu Momentaufnahmen von Kai. Nur die Einstellungen von Kai konnten Cinders Aufmerksamkeit von dem Eimer mit Seifenwasser vor sich ablenken. Sie konnte nicht anders, sie stellte sich vor, sie wäre jetzt im Palast bei ihm statt in dieser dämmrigen, kühlen Garage. Kai schüttelte einem unbekannten Gesandten die Hand. Kai grüßte die Menge. Kai versuchte, mit einem seiner Berater ein Wort unter vier Augen zu wechseln. Kai drehte sich zu ihr um und lächelte sie an, froh, sie an seiner Seite zu haben.
Cinder beruhigten diese kurzen Aufnahmen von ihm mehr, als sie sie verletzten. Sie erinnerten sie daran, dass sich in der Welt bedeutendere Dinge abspielten – neben denen ihr Freiheitsdrang, Pearls Sticheleien und Adris Launen, selbst Kais Flirt mit ihr winzig klein erschienen.
Der Asiatische Staatenbund krönte seinen neuen Kaiser. Und die ganze Welt sah dabei zu.
Kais Aufzug vereinte alte mit neuen Traditionen. Die gestickten Turteltauben auf seinem Mandarinkragen symbolisierten Frieden und Liebe. Von seinen Schultern hing ein mitternachtsblauer Umhang herab, bestickt mit sechs silbernen Sternen, die den Frieden und die Einheit der sechs Staaten der Erde symbolisierten, sowie einem Dutzend Chrysanthemen für die zwölf Provinzen des Staatenbundes, die unter seiner Regierung gedeihen sollten.
Ein königlicher Berater stand neben Kai auf der Bühne. In den ersten Reihen saßen Regierungsbeamte aus allen Abteilungen und Provinzen. Aber Cinders Augen wurden wieder und immer wieder wie von einem
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