Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
trotz unserer Schwächen helfen. Wir haben den Frieden und nicht den Krieg gewählt. Das Leben statt den Tod. Wir haben uns damals entschieden, einen einzigen Mann zu unserem Souverän zu krönen, der uns leitet und uns erhält. Der nicht unser Herrscher, sondern unser Diener sein soll.« Er hielt inne.
Cinder riss sich lange genug von ihrem Netzhaut-Display los, um den Hover zu inspizieren. Es war zu dunkel, um festzustellen, ob sie ihre Sache gut gemacht hatte, aber sie hatte auch keinen übertriebenen Ehrgeiz.
Zufrieden ließ sie den nassen Lappen in den Eimer fallen und rutschte an der Betonwand hinter dem geparkten Hover zu Boden, um der Übertragung weiter zu folgen.
»Ich bin der Urururenkel des ersten Kaisers des Staatenbundes«, fuhr Kai fort. »Seit seiner Zeit hat sich unsere Welt verändert. Wir sehen uns mit neuen Problemen und mit neuem Kummer konfrontiert. Obwohl es seit 126 Jahren keinen Krieg mehr auf der Erde gegeben hat, ziehen wir jetzt in eine neue Schlacht. Mein Vater hat gegen die Letumose gekämpft, die Seuche, die seit mehr als einem Dutzend Jahren eine Schneise der Verwüstung über unseren Planeten zieht. Diese Krankheit hat uns Leiden und Tod gebracht. Die Einwohner des Staatenbundes und all unsere Brüder und Schwestern anderswo auf der Erde haben Freunde verloren, Angehörige, Nachbarn, geliebte Menschen. Mit diesen Verlusten gehen Einbußen im Handel und im Geschäftsleben einher, und der Niedergang der Wirtschaft verschlechtert unsere Lebensbedingungen. Manche mussten bereits hungern, weil es nicht mehr genug Bauern gibt, die das Land bestellen. Manche mussten ohne Strom und Gas auskommen, weil unsere Energievorräte schwinden. Das ist der Krieg, dem wir uns jetzt gegenübersehen. Mein Vater war entschlossen, diesen Krieg zu gewinnen, und heute schwöre ich, seinem Beispiel zu folgen.
Wir werden ein Mittel gegen diese Krankheit finden. Wir werden sie besiegen. Und dann wird unser Land wieder in seinem ehemaligen Glanz erstrahlen.«
Die Zuhörer applaudierten, aber Kai freute sich offensichtlich nicht über seine eigenen Worte. Sein Gesichtsausdruck war düster und resigniert.
»Es wäre naiv von mir«, sagte er, als das Klatschen endete, »den zweiten Konflikt nicht wenigstens zu erwähnen. Einen Konflikt, der nicht weniger tödlich ist.«
Die Menge wurde unruhig. Cinder lehnte den Kopf an die kühle Wand.
»Wie Sie alle wissen, ist die Beziehung zwischen den verbündeten Nationen der Erde und Luna seit vielen Jahren angespannt. Wie Sie ebenfalls wissen, beehrt uns die Herrscherin von Luna, Ihre Majestät Königin Levana, seit der vergangenen Woche mit ihrer Anwesenheit. Seit bald einem Jahrhundert hat kein Herrscher von Luna mehr einen Fuß auf die Erde gesetzt, und ihre Gegenwart deutet darauf hin, dass wir schon bald auf eine Zeit wahren Friedens zwischen uns hoffen dürfen.«
Nun wurde Königin Levana in der ersten Reihe gefilmt. Sie hielt ihre milchweißen Hände zum Zeichen der Bescheidenheit bei diesen anerkennenden Worten sittsam im Schoß gefaltet. Cinder konnte sich nicht vorstellen, dass sich davon jemand täuschen ließ.
»Mein Vater hat die letzten Jahre seines Lebens damit verbracht, mit Ihrer Majestät über die Verwirklichung einer Allianz zu verhandeln. Er sollte das Ergebnis seiner Bemühungen nicht mehr erleben dürfen, doch ich bin entschlossen, seine Bestrebungen fortzuführen. Es stimmt, dass es Hindernisse auf dem Weg zum Frieden gibt. Dass wir Schwierigkeiten haben, Gemeinsamkeiten mit Luna zu finden und eine Lösung, die beide Parteien gleichermaßen zufriedenstellt. Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir Erfolg haben werden.« Er holte Luft, dann hielt er mit geöffnetem Mund inne. Sein Blick senkte sich auf das Pult, das er noch immer fest umklammert hielt.
Cinder beugte sich vor, als ob sie Kais Ringen um Worte so besser verfolgen könnte.
»Ich werde …« Wieder machte er eine Pause, straffte die Schultern und fixierte einen unsichtbaren Punkt in der Ferne. »Was auch immer getan werden muss, um das Wohlergehen meines Landes zu sichern, ich werde es tun. Was auch immer getan werden muss, damit Sie alle in Sicherheit leben können, ich werde es tun. Das ist mein Versprechen.«
Er löste die Hände vom Pult und verließ die Bühne, so schnell, dass die verblüffte Menge gar nicht applaudieren konnte. Vereinzelter Applaus, in dem Sorge und Höflichkeit mitschwang, folgte ihm.
Cinder zog sich das Herz zusammen, als die
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