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Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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Mit zusammengebissenen Zähnen untersuchte er ihn, vielleicht erinnerte er sich von dem Tag auf dem Markt an den Fuß, als sie sich kennengelernt hatten. Er sah sie nicht an.
    Levana verzog den Mund. »Widerlich«, sagte sie von der Tür her, vor den Kameras verborgen. Im Vergleich zu ihrer normalen Trällerstimme klangen die Worte laut und unnatürlich gezwungen. »Der Tod wäre eine Gnade.«
    »Also war sie doch keine Hülle«, stellte Sybil Mira fest. »Wie konnte sie das verbergen?«
    Levana grinste höhnisch. »Spielt keine Rolle. Sie ist praktisch schon tot. Jacin?«
    Der blonde Wächter ging einen Schritt auf Cinder zu. Er hielt die Pistole in der Hand, die Cinder fallen gelassen hatte.
    »Stopp.« Kai ging die restlichen Stufen zu ihr herab, bis er auf dem Pfad vor ihr stand. Es schien, als müsse er sich zwingen, sie direkt anzusehen, und er fuhr zusammen, als sich ihre Blicke trafen. Cinder wurde nicht schlau aus ihm, aus dieser Mischung aus Unglauben, Verwirrung und Bedauern. Er atmete schwer und musste zweimal ansetzen, bevor sie Worte hörte, leise Worte, die sich für immer in ihr Gedächtnis einbrennen würden.
    »War das alles nur eine Illusion?«, fragte er.
    Schmerz nahm ihr die Luft zum Atmen. »Kai?«
    »Hat sich das alles nur in meinem Kopf abgespielt? War das nur der Trick einer Lunarierin?«
    Ihr drehte sich der Magen um. »Nein.« Wild schüttelte sie den Kopf.
    Wie sollte sie ihm erklären, dass sie die Gabe vorher nicht besessen hatte? Dass sie sie ihm gegenüber gar nicht hätte benutzen können? »Ich würde dich nie anlüg…«
    Die Worte verhallten. Sie hatte ihn ja angelogen. Alles, was er über sie wusste, war eine Lüge gewesen.
    »Es tut mir so leid«, sagte sie. Die Worte hörten sich armselig an in der kalten Luft.
    Kai riss seinen Blick von ihr los und ließ ihn über den glitzernden Garten schweifen. »Wenn ich dich ansehe, tut es mir noch mehr weh, als wenn ich sie ansehe.«
    Cinder zog sich das Herz zusammen, sie war sicher, es würde gleich aufhören zu schlagen. Sie hielt sich eine Hand an die Wange und spürte die feuchte Seide auf ihrer Haut.
    Kai drehte sich mit zusammengebissenen Zähnen zur Königin um. Cinder starrte auf seinen Rücken mit der Stickerei aus friedlichen Turteltauben am Mandarinkragen. In einer Hand hielt er noch immer ihren Cyborg-Fuß.
    »Verhaftet sie«, sagte er schwach. »Sie wird gefangen gehalten, bis wir uns entschieden haben, was mit ihr geschehen soll. Aber wenn Ihr sie heute tötet, werde ich nie eine Allianz mit Luna eingehen. Das schwöre ich.«
    Die Augen der Königin verdunkelten sich. Auch wenn sie Kai jetzt gewähren ließ, würde Cinder an Luna überstellt werden. Und dann würde Levana ihr die Schlinge um den Hals legen.
    Kai spielte auf Zeit. Aber wahrscheinlich blieb nicht viel davon.
    Was sie nicht begreifen konnte, war, warum.
    Cinder beobachtete, wie die Königin mit ihrer Wut kämpfte, wohl wissend, dass sie Kai und sie mit einem Augenzwinkern töten könnte.
    »Sie ist meine Gefangene«, räumte Levana schließlich ein. »Sie wird nach Luna zurückgebracht und vor unser Gericht gestellt.«
    Das bedeutete: Sie würde sterben.
    »Ich verstehe«, sagte Kai. »Im Gegenzug stimmt Ihr zu, keinen Krieg gegen mein Land oder meinen Planeten zu führen.«
    Levana warf den Kopf zurück und sah an ihrer Nase entlang auf ihn herunter. »Abgemacht. Ich werde auf Grund dieses Rechtsbruchs keinen Krieg gegen die Erde führen. Aber seid auf der Hut, junger Kaiser. Heute Abend habt Ihr meine Geduld sehr auf die Probe gestellt.«
    Kai atmete tief ein, verneigte sich knapp und trat zur Seite, als die Wächter der Königin die Stufen hinuntereilten. Sie hoben Cinders zerschundenen Körper vom Kiesweg. Mit einem Blick auf Kai versuchte sie aufrecht zu stehen, so gut es ging. Sie wünschte sich nur einen Moment, um ihm zu sagen, wie leid es ihr tat. Einen Atemzug, in dem sie alles erklären konnte.
    Aber er sah nicht zu ihr herüber, als sie an ihm vorbeigeschleift wurde. Er starrte auf den dreckigen Stahlfuß, den er so fest umklammert hielt, dass seine Fingerkuppen ganz weiß waren.

37
    Sie lag auf dem Rücken und lauschte dem gleichmäßigen Klopfen ihrer Metallfinger auf dem weißen Kunstharzboden in ihrer weißen Kunstharzzelle. Von all den Gedanken, die sie hätten beschäftigen sollen, war es nur ein einziger Moment, der in einer Endlosschleife abgespult wurde.
    Markttag, feuchte Luft, der Geruch von Chang Sachas Honigbrötchen auf dem Platz.

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