Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
es.«
Cinders Herz hämmerte und sie konnte Kai nicht richtig erkennen.
»Und Ihr?«, fragte Kai.
»Ich will Kaiserin werden.«
Cinder wand sich im Griff des Wächters. »Nein, Kai! Tu es nicht!«
Er sah sie verzweifelt an.
»Es ändert nichts«, sagte Cinder. »Das weißt du doch.«
»Bring sie zum Schweigen«, befahl Levana.
Der Wächter hielt ihr den Mund zu und zog sie noch enger an seine Brust, aber er konnte nicht verhindern, dass sie Kai flehend ansah. Tu es nicht. Ich bin es nicht wert, das weißt du .
Kai schritt zur Tür. Er starrte einen Moment mit bebenden Schultern in den tobenden Sturm, dann drehte er sich um und ließ den Blick durch den Ballsaal schweifen. Ein Meer aus Farben, Seide und Taft, Gold und Perlen. Um ihn herum verängstigte, verwirrte Gesichter.
Der jährliche Ball. 126 Jahre Frieden auf der Erde.
Er atmete aus und richtete sich auf. »Ich dachte, ich hätte meine Entscheidung deutlich gemacht. Erst vor ein paar Stunden habe ich verkündet, dass ich alles zum Schutz meines Landes tun werde. Alles.« Er öffnete die ausgestreckten Hände und wandte sich inständig an die Königin: »Ich erkenne an, dass Ihr mächtiger seid als alle Staaten der Erde zusammen, und es verlangt mich nicht im Geringsten danach, unsere Kräfte mit den Euren zu messen. Ich gestehe auch ein, dass ich nur wenig über Eure Kultur und Euer Volk weiß und Euch nicht für die Art und Weise, wie Ihr es regiert, verurteilen kann. Ich vertraue darauf, dass Ihr nur das Beste für Euer Volk wollt.« Er sah Cinder an. »Aber ich werde nicht zulassen, dass der Staatenbund auf diese Art und Weise regiert wird. Wir streben nach Frieden, aber nicht auf Kosten der Freiheit. Ich kann und ich werde Euch nicht heiraten.«
Die Luft im Saal war zum Schneiden, in der Menge wurde leise geflüstert. Cinder war unendlich erleichtert, aber als Kai sie ansah, bemerkte sie, dass er nicht elender hätte aussehen können. Lautlos sprach er die Worte aus: »Es tut mir leid.«
Sie wünschte, sie hätte ihm sagen können, dass es in Ordnung war. Dass sie es verstand und von Anfang an gewollt hatte, dass er diese Entscheidung traf. Dass nichts daran etwas ändern konnte.
Levana kniff die Lippen zusammen. Ihr Gesicht war regungslos, abgesehen davon, dass sie langsam die Ohren zurückzog und fast unmerklich die Zähne zusammenbiss. In Cinders Augenwinkel blinkte das Netzhaut-Display wie wild, spulte Ziffern und Bruchstücke von Daten ab, aber sie ignorierte es wie eine lästige Mücke.
»Ihr habt Eure Entscheidung also getroffen?«
»Ja«, sagte Kai. »Das Mädchen – der Flüchtling wird bis zu Eurer Abreise in unserem Gefängnis festgehalten.« Er hob das Kinn, um seine Entscheidung zu bekräftigen. »Ich möchte auf keinen Fall respektlos wirken, Eure Majestät. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass wir unsere Unterhaltung über ein für beide Seiten annehmbares Bündnis fortsetzen können.«
»Das wird nicht möglich sein«, sagte Levana. Das Glas in ihrer Hand zerbarst, Kristallsplitter fielen zu Boden. Cinder fuhr zusammen, die Menge wich schreiend zurück, nur den Wächter schien das alles vollkommen unbeeindruckt zu lassen. »Ich habe Eurem Vater meine Forderungen ebenso klar dargelegt wie Euch, und Ihr seid ein Narr, wenn Ihr sie nicht erfüllt.« Sie warf den dünnen Glasstiel gegen eine Säule, Wein tropfte von ihren Fingerspitzen. »Wollt Ihr mein Angebot tatsächlich ablehnen?«
»Eure Majestät …«
»Beantwortet die Frage!«
Cinders Netzhaut-Scanner wurde wieder so hell, als habe jemand einen Scheinwerfer auf die Königin gerichtet. Sie japste nach Luft. Ihre Knie gaben nach und sie sank gegen den Wächter, der sie wieder hochriss.
Sie schloss die Augen und war sicher, sich all das nur einzubilden, doch als sie sie wieder öffnete, war das Diagramm wieder da: Die Linien zeichneten Levanas Gesichtszüge nach. Im Koordinatensystem war die Platzierung ihrer Augen, die Länge ihrer Nase, die Breite ihrer Stirn genau festgehalten. Ein perfektes Bild lag über der perfekten Frau. Aber sie ähnelten sich nicht.
Cinder starrte die Königin noch immer an und versuchte, die Striche und Winkel zu interpretieren, die der Scanner ihr aufzeigte, als sie bemerkte, dass der Streit beendet war. Ihre Reaktion war so abrupt gewesen, dass sie jetzt im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.
»Himmel«, flüsterte sie. Ihr Scanner durchschaute die Illusion. Unempfänglich für den Zauber der Königin hatte er ihre wahren
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