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Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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seinem Atem.
    »Sei stark. Vertrau …« Er hustete. Der Medidroide hielt ihm ein Baumwolltuch vor den Mund, das sich vom Blut rot färbte. Kai schloss die Augen und zählte seine Atemzüge.
    Als er sie wieder öffnete, hantierte der Medidroide mit einem Infusionsbeutel mit klarer Flüssigkeit – etwas gegen die Schmerzen. Der Kaiser fiel in einen leichten Schlaf. Er kam Kai wie ein Fremder vor. Kai liebte ihn, aber er tat sich schwer, in dem kranken Mann vor ihm den lebenssprühenden Vater von vor einer Woche wiederzuerkennen.
    Nur eine Woche.
    Ihn schauderte, und Torin drückte seine Schulter.
    »Eure Hoheit.«
    Kai sagte nichts. Er starrte auf die Brust seines Vaters, die sich hob und senkte.
    Torin verstärkte den Druck auf Kais Schulter, dann ließ er die Hand sinken. »Ihr werdet bald Kaiser sein, Eure Hoheit. Wir müssen Euch darauf vorbereiten. Wir haben schon viel zu lange gewartet.«
    Eine Woche sollte zu lang sein?
    Kai tat, als hätte er nichts gehört.
    »Wie Seine Majestät gesagt hat, Ihr müsst stark sein. Ihr wisst, dass ich Euch unterstütze, wo immer ich kann.« Torin machte eine Pause. »Ihr werdet ein guter Herrscher sein.«
    »Nein. Bestimmt nicht.« Kai strich sich das Haar aus der Stirn.
    Er würde Kaiser sein.
    Die Worte klangen hohl.
    Der wahre Kaiser lag dort, in diesem Bett. Er würde nur ein Hochstapler sein.
    »Ich gehe jetzt zu Dr. Erland«, sagte er und trat von der Fensterscheibe zurück.
    »Der Doktor hat zu tun, Eure Hoheit. Ihr solltet ihn nicht dauernd von der Arbeit abhalten.«
    »Ich will ihn nur fragen, ob es irgendetwas Neues gibt.«
    »Ich bin ganz sicher, dass er Euch sofort davon berichten würde.«
    Kai schob das Kinn vor und sah Torin direkt an, den Mann, der seinen Vater schon vor Kais Geburt beraten hatte. Noch immer fühlte er sich ihm gegenüber wie ein Kind, und dazu gehörte auch, dass er den seltsamen Drang verspürte, ungehorsam zu sein. Er fragte sich, ob er da je herauswachsen würde.
    »Ich muss wenigstens so tun, als ob ich etwas dagegen unternehmen könnte«, sagte er. »Ich kann mir hier nicht die Beine in den Bauch stehen und ihm beim Sterben zusehen.«
    Torin schlug die Augen nieder. »Ich weiß, Eure Hoheit. Das ist für uns alle schwer.«
    Für Sie ist es ist nicht dasselbe , wollte Kai sagen, aber er hielt sich zurück.
    Torin drehte sich zur Glasscheibe und verbeugte sich. »Lang lebe der Kaiser.«
    Kai flüsterte mit trockener Kehle dieselben Worte. »Lang lebe der Kaiser.«
    Schweigend verließen sie den Besucherraum und gingen auf die Fahrstühle zu.
    Dort wartete eine Frau auf sie. Kai hätte damit rechnen sollen – in den letzten Tagen war sie immer irgendwo in der Nähe, dabei war sie der letzte Mensch auf Erden, den er sehen wollte.
    Sybil Mira. Die Oberste Thaumaturgin des Königshauses von Luna. Unglaublich schön, mit schwarzen Haaren bis zur Taille und einer warmen Pfirsichhaut. Ihre Uniform repräsentierte ihren Rang: ein langer weißer Mantel mit einem Stehkragen und Glockenärmeln, der mit Runen und Hieroglyphen gesäumt war, die Kai nicht deuten konnte.
    Fünf Schritte hinter ihr stand ihr stets gegenwärtiger, stets stummer Leibwächter. Ein junger Mann, der mit dem blonden Pferdeschwanz im Nacken genauso gut aussah wie Sybil und in dessen scharf geschnittenen Zügen Kai noch nie eine Regung entdeckt hatte.
    Sybil verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, als Kai und Torin näher kamen, aber ihre grauen Augen blieben kalt.
    »Eure Kaiserliche Hoheit«, sagte sie und senkte anmutig den Kopf. »Wie geht es dem ehrwürdigen Kaiser Rikan?«
    Da Kai nicht antwortete, tat Torin es. »Nicht gut. Vielen Dank für Ihre Anteilnahme.«
    »Das zu hören, bereitet mir außerordentlichen Kummer.« Sie klang so traurig wie eine Katze, die gerade eine Maus in die Ecke getrieben hat. »Meine Herrin lässt ihr Beileid ausrichten und wünscht dem Kaiser baldige Genesung.«
    Sie fixierte den Prinzen, und plötzlich flirrte sie wie ein Trugbild vor seinen Augen. Sein Kopf war voller Geflüster. Respekt und Bewunderung, Mitleid und Sorge.
    Kai riss den Blick von ihr los. Die Stimmen verstummten. Es dauerte eine Weile, bis sich sein rasender Puls beruhigt hatte.
    »Was wollen Sie?«, fragte er.
    Sybil deutete auf die Fahrstühle. »Ein Wort mit dem Mann, der bald Kaiser sein wird … so es das Schicksal will.«
    Kai warf Torin einen Blick zu, aber der sah ihn ungerührt an. Takt. Diplomatie. Immer. Vor allem, wenn es um diese verfluchten Lunarier

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