Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
den vorüberströmenden Bürgern.
Das war also die Wirkung ihres Zaubers – zu begeistern und zu betrügen. Menschen für sich einzunehmen und sie gegen ihre eigenen Feinde aufzuhetzen. Und unter all diesen Leuten, die die Königin von Luna doch eigentlich verachteten, schien Cinder die Einzige gewesen zu sein, die ihr widerstehen konnte.
Und selbst sie hatte ihr nicht richtig Widerstand geleistet. Jedenfalls nicht von Anfang an. Sie bekam eine Gänsehaut auf den Armen. Ihre Haut schmerzte, wo sie auf das Metall traf.
Sie war nicht vollkommen immun gegen den Zauber gewesen – was Hüllen aber sein sollten.
Und was noch schlimmer war: Die Königin hatte sie angesehen und alles gewusst.
23
Kai bohrte sich die Fingernägel in die Knie, als die Sprechchöre der Demonstranten plötzlich verstummten. Torin sah ihn an, und in beiden Gesichtern spiegelte sich die Überraschung deutlich wider, auch wenn Torin sie schneller verbarg. Die Königin hatte die Menge viel zu leicht beruhigen können; Kai hatte gehofft, dass die Bürger sich wenigstens wehren würden.
Er schluckte und setzte ein möglichst neutrales Gesicht auf.
»Das ist ein äußerst nützlicher Trick«, sagte Sybil, die auf der Kante der Chaiselongue am holografischen Feuer saß. »Vor allem, wenn man es mit aufsässigen Bürgern zu tun hat, die wir auf Luna ohnehin nicht dulden.«
»Ich habe mal gehört, dass es meistens Gründe dafür gibt, wenn Bürger aufsässig sind«, sagte Kai. Torin sah ihn warnend an, aber er ignorierte ihn. »Und mir scheint, dass Gehirnwäsche keine ideale Lösung ist.«
Höflich faltete Sybil die Hände im Schoß. »Ideal ist ein subjektiver Begriff. Diese Lösung ist wirkungsvoll, darüber kann man wohl kaum geteilter Meinung sein.«
Levana kam mit geballten Fäusten in den Salon gerauscht. Kais Puls begann zu rasen, als er den wütenden Blick der Königin auf sich spürte. In ihrer Gegenwart fühlte er sich wie in einem beengten Raum, in dem der Sauerstoff knapp wurde.
»Wie ich feststellen muss, verstoßt Ihr gegen die Interplanetarische Vereinbarung von 54 D.Z., Artikel 17«, sagte sie und betonte jedes Wort.
Kai bemühte sich, ihre Anschuldigung ruhig anzuhören, aber ein Zucken über dem rechten Auge konnte er nicht verhindern. »Ich fürchte, ich kenne die Interplanetarische Vereinbarung nicht ganz auswendig. Wenn Ihr so freundlich sein wollt, mich über den fraglichen Artikel aufzuklären?«
Sie atmete langsam durch geweitete Nasenflügel ein. Selbst mit wutverzerrtem, hasserfülltem Gesicht sah sie noch umwerfend aus. »Artikel 17 erläutert, dass keine der unterzeichnenden Parteien wissentlich Flüchtlingen von Luna Unterkunft oder Schutz zu gewähren hat.«
»Flüchtlingen von Luna?« Kai warf Torin einen Blick zu, aber das Gesicht des Beraters blieb ausdruckslos. »Warum geht Ihr davon aus, dass wir Euren Flüchtlingen Obdach gewähren?«
»Weil ich gerade eben einen von ihnen mitten unter den unverschämten Demonstranten in Eurem Hof gesehen habe. Das dulde ich nicht.«
Kai stand auf und verschränkte die Arme. »Dies ist das erste Mal, dass ich etwas über Lunarier in meinem Land höre. Die anwesenden Herrschaften selbstverständlich ausgenommen.«
»Was mich zu der Annahme bringt, dass Ihr die Augen vor dem Problem verschließt, genau wie Euer Vater.«
»Wie kann ich die Augen vor etwas verschließen, von dem ich noch nie etwas gehört habe?«
Torin räusperte sich. »Bei allem Respekt, Eure Majestät, ich versichere Euch, dass wir alle eintreffenden und abreisenden Raumschiffe des Staatenbundes überprüfen. Auch wenn wir die Möglichkeit nie ganz ausschließen können, dass einige Lunarier unter Umgehung unserer Radarschirme eingeschmuggelt werden, so gebe ich Euch doch mein Wort, dass wir alles in unserer Macht Stehende getan haben, um der Interplanetarischen Vereinbarung nachzukommen. Selbst wenn es einem Flüchtling von Luna gelungen sein sollte, sich im Staatenbund anzusiedeln, so erscheint es mir doch unwahrscheinlich, dass er das Risiko eingehen würde, zu einer Kundgebung zu kommen. Er wusste doch, dass Ihr da seid. Vielleicht habt Ihr Euch geirrt.«
Die Augen der Königin glühten förmlich. »Ich erkenne die Meinen, wenn ich sie sehe, und zurzeit hält sich einer von ihnen innerhalb der Stadtmauern auf.« Sie wies mit dem Finger zum Balkon. »Ich will, dass sie gefunden und mir vorgeführt wird.«
»Selbstverständlich«, sagte Kai. »Gar kein Problem in einer
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