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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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eingegriffen, aber Charlene war nicht zu helfen. Regelmäßig war sie trotz guter Vorsätze wieder nach Hause zurückgekehrt zu ihrem Mann, und alles begann von vorn.
    Der Typ öffnete mit offenem Hosenstall, verwahrlosten Haa ren und einem Blick, der klar machte, dass er nicht mehr ganz bei sich war.
    »Eh, was willst du?«, lallte er. »Scher dich weg, ich fick gerade meine Alte.«
    Der Kommissar schob ihn beiseite und ging hinein in die Wohnung. Er wollte sehen, wie es ihr ging. Und dann sah er sie zusammengekauert in der Küche sitzen, blaue Flecken am ganzen Körper, und ihr Gesicht war grauenhaft zugerichtet.
    »Komm, Charlene«, sagte er mit weicher Stimme, »komm mit mir, ich bringe dich hier weg.«
    »Nein«, erwiderte sie erst, aber dann ließ sie es zu. Er stützte sie und brachte sie zum Ausgang.
    Doch so einfach gab sich der brutale Kerl nicht geschlagen. Er baute sich drohend vor Max auf, brüllte und pöbelte herum, so laut, dass es das ganze Haus hören konnte.
    »Du Arsch, verlass sofort meine Wohnung und nimm die Finger weg von meiner Alten!«
    Jetzt reichte es dem Kommissar. Er verpasste ihm einen ordentlichen Kinnhaken und als Zugabe noch eins auf die Nase.
    »Ich wollte dir schon immer mal sagen, was ich von dir halte, du Wichser, und fass sie ja nie wieder an, sonst brech ich dir alle Knochen«, knurrte er. Dann verließ er mit Charlene das Haus .
    »Du musst dir helfen lassen«, wiederholte er, während sie wie ein Häufchen Elend neben ihm her trottete und weinte.
    »So kann es nicht weitergehen. Ich weiß, dass du dich hilflos fühlst und Angst hast vor der Aggressivität deines Mannes. Aber das brauchst du nicht. Lass dir helfen.«
    Während sie mit dem Auto auf dem Weg ins Präsidium waren, redete er auf sie ein – wie auf ein kleines, unmündiges Kind. Er musste sie da rausholen, denn er war sich ganz sicher, dass dieser Kerl sich niemals ändern würde.
    »Das siehst du doch auch so, oder?«, insistierte er weiter und reichte ihr eine Packung Taschentücher, während sie versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken.
    Charlene schluchzte.
    Er kannte diesen Typ Mann nur zu gut. Fast immer war es Hilflosigkeit, die dahintersteckte. Diese Männer sahen keine Alternative, sich durchzusetzen, also schlugen sie zu.
    Oft war es das Gefühl der körperlichen Überlegenheit und meist die Geschichte ihrer Erziehung: Gewalt in Kindheit und Jugend. Auch in der Schule mussten sie, wenn es Konflikte gab, nicht lange diskutieren, sondern ließen die Fäuste sprechen und wurden von allen geachtet und bewundert. Wie könnte da ihre Beziehung zu Frauen anders sein? Sie hatten eben gelernt: Ich schlag zu, dann ist Ruh.
    Inzwischen hatten sie das Präsidium erreicht. Max stellte seinen Porsche auf dem Parkplatz ab und half Charlene, die kaum laufen konnte, aus dem Wagen.
    »Geht es?«, fragte er sie mitfühlend.
    »Ja«, antwortete sie mit erstickter Stimme. Sie zitterte und hatte furchtbare Angst, denn sie kannte ihren Mann. Nur zu gut wusste sie, dass er sie finden würde. Ganz egal, wo sie sich versteckte – und wenn es der letzte, hinterste Winkel in diesem Land wäre, würde er kommen und sie holen. Und seine Wut würde furchtbar sein!
    »Ich weiß, dass du Angst hast«, redete Max weiter beruhigend auf sie ein, »aber du musst es versuchen. Oder willst du, dass ich dich irgendwann tot in deiner Wohnung finde?«
    Er sah sie an: Ihre Augen waren dick und geschwollen, das rechte Auge fast ganz geschlossen, ihre Nase war blutig, und ihre Wangen waren aufgerissen. Kurz und gut, Charlene sah schrecklich aus.
    »Ich weiß«, gab sie mit leiser, tränenerstickter Stimme zu, »dass er sich nicht ändert.« Immer dann, wenn sie versuchte, ihn zu beruhigen, wurde er wütender. Und dann, wenn sie nur ruhig dasaß, war er erbost über ihre Reserviertheit.
    »Geschlagen hat er mich immer«, schluchzte sie, »ganz egal, wie ich reagiert habe.«
    »Ich weiß«, räumte Max ein, »aber glaube mir, es ist nicht deine Schuld.«
    Die meisten Frauen, die misshandelt wurden, legten sich vielerlei Gründe zurecht, die belegten, warum sie die Misshandlung verdient hatten. Sie dachten, sie hätten ihren Mann mit einer Bemerkung dazu gebracht, oder glaubten, dass es nur eine kleine Sache gewesen sei. Misshandelte Frauen neigten dazu, die Vorfälle – ganz gleich, wie schlimm sie waren – zu bagatellisieren in dem Wissen, dass ihr Peiniger wesentlich mehr hätte anrichten können.
    »Bitte, Charlene, du darfst nicht warten, bis

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