Die Lutherverschwörung - historischer Roman
den Pfeil in Brangenbergs Hals. Es ist wie ein Alptraum. Und ich sehe ihn, wie er mich anschaut, mit weit geöffneten Augen, in denen Unglauben steht und Erschrecken. Und die mich anklagen! Du warst beauftragt, mich zu schützen, sagen sie, und du hast mein Vertrauen missbraucht!«
»Rede keinen Unsinn!«
»Und jetzt das Gleiche wieder, wenn auch viele Jahre dazwischenliegen.«
»Kennt Friedrich eigentlich die Brangenberg-Geschichte?«, fragte Hanna.
»Er weià nicht, dass ich damals für Brangenbergs Sicherheit zuständig war. Du erinnerst dich, dass ich damals nach Italien ging, damit Gras über die Sache wuchs. Als Friedrich mich in seine Dienste nahm, holte er einen Söldner, der für die Medici gekämpft und sich bewährt hatte ⦠Meine wahre Vergangenheit kennt er nicht.«
Hanna schwieg nachdenklich. SchlieÃlich meinte sie: »Vielleicht hättest du ihm besser die Wahrheit gesagt.«
»Dann hätte ich die Stelle nicht bekommen. Es war eine einmalige Chance.«
K APITEL 3
Südwestlich von Wittenberg lag eine von Laubwäldern umschlossene Stadt, einst von Mönchen gegründet, nun Sitz eines kleinen Bistums. Die berühmte Kathedrale mit ihren Spitzbögen und den zwei schlanken Türmen ragte aus dem Gewirr niedriger Dächer hervor. Auch das Schloss, in dem Bischof Joseph von Brangenberg residierte, wirkte zu weitläufig und prächtig für die umgebenden Bürgerhäuser, die in einen engen Mauerring gepresst standen. Das Schloss war gröÃer als das des sächsischen Kurfürsten â obwohl Brangenberg vom Rang her weit unter Friedrich stand und seine Diözese eine der unbedeutendsten im Reich war.
Als Wulf Kramer das Privatkabinett des Bischofs betrat, sah er gerade noch eine Frau in einem leichten Gewand, unter dem ihre nackten Beine hervorschauten, aus dem Raum eilen. Das war wahrscheinlich seine Mätresse, dachte Wulf, denn er wusste, dass der Bischof alles andere als ein zölibatäres Leben führte. Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand, der Bischof stürze sich ihretwegen ohne Sinn und Verstand in horrende Unkosten. AuÃerdem hieà es, sie wisse um ihre Macht und könne ihn nach Belieben um den Finger wickeln.
Wie viel davon der Wahrheit entsprach, konnte Wulf nicht beurteilen, doch ohne Zweifel war Joseph von Brangenberg, dessen Vater er vor mehr als zehn Jahren getötet hatte, ein Genussmensch. Das sah man ihm auch an â nicht zuletzt aufgrund seiner Körperfülle und der ungesunden, rötlichen Gesichtsfarbe.
Der Bischof breitete seine Arme aus, als wolle er den Segen erteilen. »Luther wird zur Bedrohung! Dieser Mann verbreitet Irrlehren, er ist ein Ketzer und der Antichrist!«, sagte er. »Deshalb muss er sterben! Töte ihn â und so erfüllst du den Willen Gottes!«
»Das ist eine schwierige und riskante Aufgabe«, erwiderte Wulf. »Luther ist beim Volk beliebt.«
»Und deshalb muss es wie ein Unfall aussehen. Traust du dir das zu?«
»Es ist machbar.«
Es war das erste Mal seit dem Mord an seinem Vater, dass Brangenberg Wulf zu sich bestellt hatte. Wulf wohnte in einer kleinen Ortschaft nicht weit entfernt, und obwohl sie persönlich keinen Kontakt pflegten, war das Band zwischen ihnen doch nie zerrissen. Als hätten sie geahnt, dass sie sich eines Tages wiedersehen würden â¦
»Luther ist selten allein anzutreffen«, sagte Wulf. »Er ist gesellig, umgibt sich mit Freunden, zeigt sich häufig in der Ãffentlichkeit. Ich gehe ein hohes persönliches Risiko ein.«
Wulf betrachtete Brangenberg, der sich ankleidete, während sie sprachen: Ãber ein langes, von den Schultern bis fast zu den FüÃen reichendes weiÃes Kleid streifte er nach und nach die zum bischöflichen Ornat gehörenden Gewänder.
»Ich werde den Auftrag nur annehmen«, sagte Wulf, »wenn die Entlohnung stimmt. Sprechen wir von Zahlen!«
Genau das, spürte Wulf, wollte der Bischof vermeiden. Konnte er Brangenberg vertrauen? Damals hatte er sein Geld zwar bekommen, aber diesmal stand mehr auf dem Spiel. Für den Bischof war er nämlich nicht nur ein möglicher Handlanger, sondern zugleich eine Bedrohung. Er musste auf der Hut sein!
»Bedenke, dass du etwas für dein Seelenheil vollbringst ⦠für Gott und die Heiligen ein wohlgefälliges Werk! Dazu biete ich dir dreihundert Gulden.«
Wulf
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