Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Treffens: Luthers Leben sei in Gefahr â und er, Jost, solle ihn schützen.
Jost erwiderte zunächst nichts. Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Ob der Fürst einen konkreten Verdacht habe, fragte er schlieÃlich. Wer denn versuchen könne, Luther zu töten?
Friedrich zögerte wieder mit seiner Antwort. SchlieÃlich sagte er: »Ich glaube, dass von vielen Seiten Gefahr droht. Und das macht die Aufgabe, mit der ich dich betraue, so schwierig. Du darfst niemandem vertrauen. Kurz und gut: Du bist mir ab sofort für Luthers Leben verantwortlich!«
Und dann hatte der Fürst ihm klargemacht, wie wichtig es sei, Diskretion zu wahren. Er als Kurfürst müsse in der Luthersache politisch neutral bleiben, das sei für sein Sachsen überlebenswichtig. Ein so kleiner Staat sei immer bedroht und nur geschickte Diplomatie, ein Lavieren zwischen den GroÃmächten, sichere seine Existenz. Er als Fürst trage groÃe Verantwortung, und es sei für ihn oberstes Ziel, sein Land aus kriegerischen Verwicklungen herauszuhalten.
»Krieg ist immer ein Fehler«, fuhr Friedrich fort, »und das Wohl meiner Untertanen ist mir wichtiger als Ruhm und Schlachtengetümmel. Die Luthersache ist heikel, da steht so viel auf dem Spiel â vielleicht das Schicksal des ganzen Landes. Der Streit um Luther ist im Moment noch ein religiöser, aber jeder, der über seinen Tellerrand hinausblickt, weiÃ, dass daraus in Windeseile ein politischer werden kann ⦠AuÃerdem berührt er die Kernfragen unseres Menschseins. Es geht letztlich darum, wie der Mensch vor sich selbst und vor Gott bestehen kann â¦Â«
Am Ende der Unterredung hatte der Fürst ihm eine hohe Belohnung versprochen, wenn er seine Arbeit gut mache.
Jost hob den Kopf, weil er Schritte auf der Treppe und bald darauf Hannas Stimme hörte. Sie begleitete einen Kunden zur Tür. Dann trat sie ins Zimmer, entdeckte Jost, rief überrascht seinen Namen. Hanna war klein gewachsen, hatte blondes, mit den Jahren etwas verblasstes Haar. Trotz einiger Falten gefiel ihm ihr Gesicht unverändert, er fand sogar, dass die Jahre sie noch schöner gemacht und ihre grünlich schimmernden Augen an Wärme gewonnen hatten. Sie umarmten sich.
»Ich wusste gar nicht, dass du dich noch selbst um Kunden kümmerst.«
Sie lächelte. »Bist du etwa eifersüchtig?«
»Schon möglich.«
»Lass uns nach oben gehen, Jost, und in Ruhe ein wenig plaudern. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
Die Holztreppe knarrte, als sie hinaufgingen in Hannas Stube, die beheizt war. Hanna setzte sich auf ihr Bett, das zerwühlt aussah, und deutete auf einen Stuhl. Jost setzte sich ihr gegenüber. Auf einem Tisch standen ein Krug mit Wasser und eine Waschschüssel; Tropfen fielen vom Tisch auf staubige Dielen. Es war noch zu früh, um Kerzen anzuzünden, und deshalb ein wenig düster im Raum.
Hanna musterte ihn aufmerksam. »Was sind das für Schatten unter deinen Augen? Und in die Haare hat sich etwas Grau geschlichen!« Sie strich mit dem Daumen liebevoll über seine kurze Nase, die etwas krumm war von einem Schlag, der ihm einst das Nasenbein gebrochen hatte. Ihr fiel immer auf, wenn sich in seinem Gesicht etwas verändert hatte.
»Wie lange kennen wir uns, Hanna?«
»Viele Jahre â oder soll ich sagen: Jahrzehnte?«
»Ich muss dir mein Herz ausschütten ⦠eigentlich bin ich nur deshalb gekommen. Ich habe nämlich eine neue Aufgabe, die mir Angst macht: Ich soll Luther beschützen.«
Sie legte die Hand an den Mund. »Das ist ein heikles Geschäft.« Ihm fiel auf, dass sie fast die gleichen Worte benutzte wie der Kurfürst.
Häufig rätselte Jost, wie sie zueinander standen. Ihre Lebenswege hatten sich auf geheimnisvolle Weise immer wieder gekreuzt. Sie verfügte über ähnliche Erfahrungen wie er. War sie nicht ebenso eine Söldnerin? War er nicht auch jemand, der seinen Körper für Geld verkaufte? Als sie später nebeneinanderlagen, er auf dem Rücken und sie seitlich neben ihm mit ihrem Kopf auf seiner Schulter, fühlte er sich geborgen. Aber die Gedanken an die Realität kamen bald zurück.
»Der Auftrag macht mir Angst«, wiederholte er.
»Weil es dich an früher erinnert?«
»Weil es mich an mein Versagen erinnert.«
»Du hast nicht versagt.«
»Doch! Die Erinnerung verfolgt mich. Ich sehe
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