Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
Vom Netzwerk:
hatte fast ausschließlich Armbrüste mit stählernen Bogen verfertigt, aber zum Glück hatte Wulf noch einen Hornbogen in seinem Vorrat gefunden und ihn mit den anderen Fertigteilen kombiniert.
    Wulf hielt die Armbrust mit beiden Händen an der Mittelsäule und prüfte sein eigenes Werk kritischer, als irgendein anderer das hätte tun können. Er fuhr mit Daumen und Zeigefinger über die straffe, aber noch nicht gespannte Hanfsehne, die dort, wo sie die Mittelsäule berührte, nochmals verstärkt war. Probeweise klappte er die Visiervorrichtung hoch, in die verschiedene Sehschlitze eingelassen waren: die sogenannte Kimme. Am Ende der Säule befand sich die Zielgabel, die auch Schiff hieß, mit dem Korn. Wulf schulterte die Waffe probeweise, dann setzte er sie wieder ab und legte sie zu Boden.
    Aus einem speziellen Köcher zog er verschiedene Bolzen hervor, die aus Holz gefertigt waren. Zu Übungszwecken würde er zunächst Bolzen ohne eiserne Spitze verwenden; sie besaßen Lederstabilisatoren, um die Treffsicherheit zu erhöhen. In diesem Fall war Wulf mit dem Material von Bärenreiter nicht zufrieden gewesen und hatte Verbesserungen vorgenommen. Neben die Übungsbolzen legte er einen einzigen, der eine Stahlspitze mit Widerhaken besaß: Mit einem solchen würde er Luther töten.
    Wulf nahm die Armbrust wieder auf, um sie zu spannen; hierfür hatte er eine Metallwinde mitgebracht, die mit einer Zahnstange arbeitete und mit zwei Haken die Sehne fasste. Er stellte seinen linken Fuß in einen Bügel, der als Spannhilfe diente. Mit beiden Händen, den Oberkörper nach vorn gebeugt, drehte er die Kurbeln, sodass die Sehne sich spannte, bis sie in der Nuss, einer Vorrichtung aus Metall, Halt fand.
    Wulf legte die Winde auf den Sack und betrachtete die Vogelscheuche: das perfekte Ziel. Er würde versuchen, den Kopf zu treffen. Wulf kehrte der Figur den Rücken zu und entfernte sich durch das nasse Gras. Nach etwa hundertfünfzig Schritten blieb er stehen und drehte sich um. Er klappte den Visierabsatz hoch, schulterte die Armbrust und stützte mit der linken Hand die Säule ab, während der rechte Zeigefinger am Abzug lag. Mit Hilfe von Kimme und Korn visierte er sein Ziel an. Das Flattern der Jacke störte ihn, aber mit Bewegung musste er auch im Ernstfall rechnen. Er drückte den Abzugsbügel, der mit der Nuss verbunden war, und der Übungsbolzen schoss los.
    Das Geschoss blieb lange in der Luft. Es beschrieb eine ruhige Flugbahn, dann durchschlug es die blaue Jacke und blieb irgendwo im Feld liegen. Er merkte sich die Stelle, ging zurück, holte den Bolzen und legte ihn auf den Sack. Mit Werkzeug, das er mitgebracht hatte, nahm er eine Korrektur an der Zielgabel vor, dann spannte er die Armbrust erneut und entschied sich für einen anderen Bolzen; auch dieser hatte keine Metallspitze.
    Wieder entfernte er sich hundertfünfzig Schritte von seinem Ziel, legte an, zielte und schoss. Ein zweites Mal landete der Bolzen im Feld. Wulf ging zur Vogelscheuche und betrachtete den Kopf; links war das Stroh aufgerissen, also hatte er ihn gestreift. Er holte den Pfeil, ging zum Sack und nahm eine zweite Korrektur vor. Er spannte die Armbrust mit einem Bolzen ohne Stahlspitze – diesmal streifte er das Stroh rechts. Nach einer dritten Korrektur spannte er die Armbrust erneut: Jetzt hatte er den Bolzen mit Stahlspitze und Widerhaken eingelegt.
    Einhundertfünfzig Schritte sind eine große Entfernung. Als Wulf sein Ziel mit Kimme und Korn anvisierte, kam ihm der aus Stroh geformte Kopf sehr klein vor. Diesmal zielte er länger – und schoss. Der Bolzen traf sein Ziel, durchschlug das Stroh und blieb im Pfosten stecken. Wulf ging zur Vogelscheuche und betrachtete den Treffer: Wäre dies ein Mensch gewesen, so hätte er ihn genau zwischen den Augen erwischt.
    Als Wulf wieder zu seinem Sack zurückkehrte, stand dort ein kleines Mädchen. Es hatte rote, lockige Haare und legte den Kopf ein wenig zur Seite, während es ihn neugierig anblickte. Er reagierte erst gar nicht, denn er hatte sich allein geglaubt und war völlig in seine Aufgabe vertieft gewesen.
    Â»Was machst du da?«, fragte sie.
    Â»Wie kommst du denn hierher?«, fuhr Wulf sie an.
    Â»Warum schießt du auf die Vogelscheuche?«
    Â»Ich übe nur, das hat nichts zu bedeuten.« Wulf dachte fieberhaft nach. Natürlich würde sie das, was sie gerade

Weitere Kostenlose Bücher