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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag
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Siegfrieds Bart ein offener Mund hervorschaute. »Was ist los?«, fragte er.
    Zwei der Kinder schauten sich an und kicherten, aber Clothilde befahl ihnen, den Mund zu halten. Die wehrten sich, sie hätten doch gar nichts gesagt. »Und der Großvater«, fuhr die Hauswirtin fort, »kann sich seine ewigen Bemerkungen über unsere Ehe sparen. Schließlich hat er seine Frau früh genug ins Grab gebracht.«
    Â»Lass mal bloß die Marianne aus dem Spiel … altes Lästermaul!« Die Stimme des Großvaters klang jetzt verärgert. Wenn er eine Frau wie sie geheiratet hätte, läge er seit zehn Jahren im Grab, aber darauf warte man ja nur. Aber er bleibe ihnen noch eine Weile erhalten.
    Wulf löffelte schweigend, während man Freundlichkeiten austauschte. Seine Gedanken schweiften ab, denn er musste die Armbrust erproben. Streng genommen, genügte sie seinen Ansprüchen nicht, aber da er unter Zeitdruck stand, hatte er vorgefertigte Teile übernommen, die in Bärenreiters Vorrat lagen, und einiges daran geändert. Aber er hatte mit der Waffe noch nicht geschossen, und das musste heute noch geschehen. Außerdem war er abends im Dom verabredet: nach Einbruch der Dunkelheit, während der Messe.
    Wulf ging zurück auf den Kornspeicher, er schaute nach seiner Armbrust, die sich in einem großen Sack befand, und stellte sicher, dass niemand während seiner kurzen Abwesenheit in seinen Sachen gewühlt hatte.
    Wulf öffnete das Fenster einen Spalt breit und schaute nach draußen. Es sah nach Regen aus. Die Luft, von einem leichten Wind gereinigt, roch frisch und frühlingshaft. Die Marktleute bauten ihre Stände auf, Karren fuhren über den Domplatz und wurden entladen. Die Menschen waren schweigsam und in das Stampfen der Hufe und das Knarren der Wagen mischten sich nur selten Stimmen, wenn man sich kurze Anweisungen zurief. Der Wind blies in den Speicher und Wulf fröstelte. Während er einem Gewürzhändler zuschaute, der kunstvoll seine vielfarbigen Waren anordnete, überlegte er, wo er seine Waffe erproben könnte. Heute war die letzte Gelegenheit, denn wahrscheinlich würde Luther bereits morgen vor dem Reichstag auftreten.
    Wulf wandte den Kopf nach links und blickte über die roten und schwarzen Dächer, über die Türme der Kirchen und Klöster und die Stadtmauer hinweg auf die Rheinauen. Gar nicht weit von der Stadt sah er eine kleine Insel mit Bäumen und Büschen und einigen Häusern, in denen Fischer wohnten – bequem über eine Brücke erreichbar. Am entfernt gelegenen Ende der Insel entdeckte er einen Kran, dessen Arm in die Luft ragte; er konnte sogar erkennen, dass das auf halber Höhe hängende Seil ein wenig hin und her schwankte. Hinter dem Kran lag ein einmastiges Schiff vor Anker. Wulf betrachtete den flussabwärts gelegenen Teil der Rheininsel; dort, wo sie sich verjüngte und in einem spitzen Zipfel endete, sah er keine Häuser mehr, nur Bäume und Hecken und ein winziges Stück bebautes Land. Die Ecke war entlegen und gefiel ihm, aber leider stand dort jemand – regungslos. Wulf strengte seine Augen an: Ein Mensch, der so lange dort stand, ohne sich im Geringsten zu bewegen? Das konnte kein Mensch sein. Er beschloss, genau dort, an diesem entfernten Inselzipfel, den ersten Distanzschuss mit seiner Armbrust zu wagen.
    Wulf schulterte den Sack mit der Armbrust, er sah keinen Grund, die Sache länger aufzuschieben, trotz seiner Müdigkeit. Er würde tagsüber schlafen, um abends wieder auf der Höhe zu sein. Wulf stieg die steile Treppe hinunter, da trat ihm im ersten Stock der Großvater in den Weg.
    Â»Geht Ihr auf Beutefang?« Wladislaw deutete auf den großen Sack.
    Wulf zog die Stirn in Falten. Ahnte der Alte etwas? Wusste der Großvater, dass er die Nacht außer Haus verbracht hatte? Er suchte nach einer unverbindlichen, harmlos klingenden Antwort, aber seine Müdigkeit machte ihm zu schaffen.
    Â»Ich will ein paar Einkäufe erledigen, weiter nichts«, sagte Wulf. »Ich reise bald ab und muss gerüstet sein für unterwegs.«
    Â»Verständlich, verständlich, so würde ich es auch machen.«
    Sie standen im Treppenhaus, Wulf wollte an ihm vorbei, aber der Alte rührte sich nicht vom Fleck. Solange Wladislaw seine Familienmitglieder ärgerte, hatte Wulf ihn amüsant gefunden, aber nun, da er selbst zur Zielscheibe wurde, sah die

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