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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Zeit führe ich Selbstgespräche.«
    »Auch das noch!«
    Der Sack kippte abrupt zur Seite und Körner fielen Wulf in den Mund, er bekam einen Hustenanfall und glaubte zu ersticken.
    »Was war das?«, fragte die Frau erschrocken.
    Ihr Mann hustete statt einer Antwort, und Wulf hustete mit ihm um die Wette; schließlich beruhigte er sich wieder. Der Händler schien den Sack über den Boden zu schleifen, statt ihn auf der Schulter zu tragen, dann wuchtete er ihn auf den Wagen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Alles in Ordnung«, sagte Wulf. Nun musste er warten, bis die fehlenden Säcke auf dem Karren landeten und sich das Gefährt schaukelnd in Bewegung setzte. Wulf wurde kräftig durchgerüttelt, bis der Wagen zum Stehen kam; es geschah eine Weile nichts, dann hörte Wulf Stimmen.
    »Wir sind angekommen, ich klettere jetzt auf den Wagen«, sagte der Händler. »Da kommt schon das Seil mit dem Haken.«
    Wulf sah im Geist das Gebäude vor sich. Es war wirklich sehr hoch, und nach einer Luftreise stand ihm nicht der Sinn. Plötzlich bekam er es mit der Angst zu tun, und er wusste auch weshalb: Früher hätte ihm der Gedanke, am Seil durch die Luft zu schweben, wenig oder nichts ausgemacht. Es hing mit dem Sturm zusammen, der sein Empfinden dafür geschärft hatte, wie zerbrechlich der Mensch war. So ein Ereignis führte dazu, dass man anfing nachzudenken, was in der gegenwärtigen Situation nur hinderlich war. Das Gefühl des Ausgeliefertseins war unerträglich. Er spürte, wie er in die Luft gehoben wurde, wie das Seil hin und her schwankte … Sein Herz begann zu rasen, sein Atem rasselte; dazu noch dieses Getreide um ihn herum, das ihm die Brust zusammenschnürte und förmlich die Luft raubte. Er war eingesperrt, aber schlimmer als in einem Käfig. So musste man sich in der Hölle fühlen!
    Zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass er möglicherweise nicht im Himmel landen würde, sondern in der Hölle. Sollte das möglich sein? Er in der Hölle?! Was raubte ihm die Zuversicht? Dieses verdammte Schwanken, schlimmer als auf dem Schiff! Das Schiff, der Sturm …
    Das Schwanken ließ nach, aber er fühlte in der Magengrube, wie sich das Seil ruckweise höher bewegte. Wie viele Leute zogen daran? War nur ein Mann auf dem Speicher, oder waren es mehrere? Er stand kurz davor, sich zu übergeben. Würde man den Sack gleich ausleeren? Er hatte vorhin so zuversichtlich behauptet, man werde ihn in eine Ecke stellen, aber das war reine Rhetorik gewesen. In Wirklichkeit hatte er keine Ahnung, was geschehen würde.
    Die Aufwärtsbewegung stoppte, dafür schwankte der Sack wieder entsetzlich hin und her. »Hab’ ihn!«, rief jemand. Dann ging es plötzlich abwärts. Wulf wollte laut aufschreien, aber er biss die Zähne zusammen und unterdrückte den Impuls. Er sah sich schon den ganzen Wohnturm hinunter in die Tiefe sausen, aber es gab sofort einen abrupten Halt, eine zwar unsanfte, aber nicht weiter kritische Landung. Also befand er sich jetzt auf dem Speicherboden. Die nächsten Momente würden darüber entscheiden, ob sein Vorhaben, das ihm immer wahnsinniger vorkam, gelang oder nicht.
    Der Sack wurde über den Boden geschleift und geriet in Schieflage, aber man richtete ihn wieder auf und er stand nun gerade. Wulf umklammerte fest den Griff des Messers. Würde man die Schnur lösen, das Getreide ausschütten? Nichts geschah! Er schwitzte, manchmal hörte er dumpfe Schritte. Ein Stoß! Offenbar war ein weiterer Sack neben ihm gelandet, diese Prozedur wiederholte sich, bis alle fünf Säcke oben waren. Dann keine Schritte mehr – auch keine Stimmen.
    Wulf wartete lange, bis er die Messerspitze durch die Getreidekörner bohrte und den groben Stoff erreichte. Er durchbohrte ihn, Körner rieselten zu Boden; Wulf vergrößerte die Öffnung und stieß weitere Körner hindurch, schließlich gelang es ihm, den Sack ganz aufzuschlitzen und aus seinem Gefängnis herauszukriechen. Er schüttelte sich und kratzte sich, der Sack lag schlaff am Boden. Wulf schaute sich um, er war allein auf dem Speicher.
    Als Erstes kramte er die Armbrust aus dem Reisesack hervor und stellte beruhigt fest, dass sie unversehrt war. Mit der Hand fuhr er über die Mittelsäule: Dort würde bald der Bolzen ruhen. Kein Zweifel: Es war der Wille der Jungfrau, dass heute der Ketzer starb!

KAPITEL 38
    Rückblick: am Vorabend der Verhandlung
    Es dunkelte bereits. Vor dem Johanniterhof herrschte immer noch Andrang, aber Josts Männer ließen niemanden durch. Er selbst wurde

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