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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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mit Mördern gleichsetzen … Und doch glaube ich, dass ich es mir zu einfach mache, wenn ich die Toten einfach von mir schiebe. Sie belasten mein Gewissen, sie erscheinen in meinen Träumen, ich erinnere mich sogar an ihre Gesichter.«
    Luther legte ihm die Hand auf die Schulter. »Vergiss den Altar, Jost! Wenn du Vergebung suchst, so forsche im eigenen Herzen. Du bist jetzt so lange in meiner Nähe, das solltest du doch mittlerweile gelernt haben: Ein Altar ist etwas Äußerliches, auch er fällt in den Bereich der guten Werke, siehst du das nicht? Nur bei Christus kannst du Erlösung finden.«
    »Manchmal denke ich, meine Schuld ist bereits zu groß.«
    »Deus caritas est. Gott ist Liebe. Was ist denn das Leben des Menschen? Es fliegt davon wie ein Vogel. Wir müssen ihm Sinn geben, dafür sorgen, dass es nicht umsonst war. Das kann nur in der Liebe geschehen. Kennst du den ersten Johannesbrief, Jost?«
    »Nein.«
    »Dort heißt es: Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm . Das ist der Kern des christlichen Glaubens. Ich weise bei jeder Gelegenheit auf die Macht des Glaubens hin, aber der Glaube und die Liebe sind eins, Jost, du kannst sie nicht trennen. In dem Johannesbrief heißt es: Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt . Die Liebe ist das Zentrum unseres Glaubens. Und im Evangelium des Johannes heißt es: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat.«
    »Meine Güte, Martin, kennst du die ganze Bibel auswendig?«
    »Die Stellen, die vom Glauben und von der Liebe handeln, kenne ich gut, weil sie das Herzstück bilden von meinem Verständnis des Christseins. Gott hat uns zuerst geliebt, die Liebe ist sein Geschenk an uns. Gottes Liebe ist so groß, dass Christus für uns am Kreuz starb. Und deshalb, Jost, darfst du, wenn du daran glaubst, auf Vergebung hoffen, auch wenn deine Schuld noch so groß ist und du nicht das Geld hast, einen Altar zu stiften. Das ist meine ganze Theologie! Hör auf, dich zu verdammen, denn wir sind aufgefordert, uns selbst zu lieben wie unseren Nächsten.«
    »Eigentlich war ich gekommen, Martin, um dich ein wenig zu trösten.« Jost stand auf. »Ich verbringe die Nacht in der Kammer neben dir.«

KAPITEL 39
    Die Verhandlung war auf vier Uhr nachmittags angesetzt, aber die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Wulf war in ständiger Sorge, dass noch weitere Lieferungen ausstanden oder jemand ins oberste Stockwerk kommen könnte, um etwas zu holen. Der Speicher diente zwar in erster Linie zur Aufbewahrung von Getreide, aber man lagerte hier auch andere Dinge. So standen in der Nähe des Fensters zwei Holzfässer, deren Inhalt Wulf nicht erraten konnte.
    Er reagierte hochempfindlich auf jedes Geräusch im Haus, besonders wenn er Schritte auf der Treppe hörte, beschleunigte sich sein Puls – aber bisher war es immer falscher Alarm gewesen. Für alle Fälle hielt er sich hinter einigen Getreidesäcken versteckt. Dann aber konnte Wulf der Versuchung nicht länger widerstehen, den Holzladen einen winzigen Spalt breit zu öffnen und nach draußen zu schauen. Das Licht blendete ihn; es war ein strahlend heller und sonniger Frühlingstag. Auf dem Domplatz und in den Gassen herrschte das für den Reichstag übliche geschäftige Treiben, das er bereits kannte. Er sah die spitzen Dächer und Rauch, der aus einigen Schornsteinen aufstieg. Über die Stadtmauer hinweg konnte er den Weg sehen, den er im Wagen der Schausteller zurückgelegt hatte; und weil er gerade an sie dachte, war es ein seltsamer Zufall, dass er sie am Rand des Domplatzes bemerkte, wo die Kinder Kunststückchen vorführten und Purzelbäume schlugen.
    All das spielte aber keine große Rolle, denn Wulfs Augenmerk galt vor allem dem gegenüberliegenden Dom und dem angrenzenden Bischofssitz, wo der Reichstag bereits zusammengekommen war. Die Fenster der Aula Major standen immer noch weit offen.
    Luthers Vorladung war der wichtigste Sitzungspunkt, trotzdem standen offenbar noch andere Themen zur Verhandlung; der Kaiser war momentan nicht persönlich anwesend, und in den Reihen der Kurfürsten standen drei Stühle leer, wie überhaupt, nach Wulfs Schätzung, höchstens die Hälfte aller Plätze besetzt war. Er zweifelte jedoch nicht daran, dass am Nachmittag kein Stuhl leer blieb – ja man würde noch weitere herbeischaffen, um dem Ansturm gewachsen zu sein. Beim Gedanken daran

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