Die Lutherverschwörung
zerbrochenen Holz bemerkte sie seltsame Flecken auf den Dielen. Ohne weiter nachzudenken, ging sie darauf zu, um besser sehen zu können: Blut!
Im selben Moment spürte sie einen furchtbaren Schmerz im Hinterkopf. Alles um sie herum wurde schwarz.
KAPITEL 41
Rückblick: zwei Stunden vor der Verhandlung
Der sächsische Kurfürst deutete auf einen Stuhl, und Jost nahm ihm gegenüber Platz. Außer ihnen befand sich noch Spalatin im Raum.
»Ich möchte dir sagen, wie zufrieden ich mit dir bin und dass du mein Vertrauen rechtfertigst, lieber Jost«, sagte Friedrich. »Übrigens war die zurückliegende Nacht sehr ereignisreich, auch in der Stadt sind Dinge geschehen, die den Fortgang der Luther-Verhandlung beeinflussen werden, aber behalte das, was ich dir nun sage, für dich, denn es ist streng vertraulich. Unbekannte haben versucht, den Mainzer Bischof einzuschüchtern, sie haben gedroht, ihn zu töten. Es ist nicht sicher, wer dahintersteckt; möglicherweise der Bundschuh. Wie ich aus Erfahrung weiß, ist Albrecht eher ein ängstlicher Mensch. So unerfreulich die ganze Geschichte ist, mag sie für unsere Sache von Vorteil sein. Aleander setzt Albrecht zwar unter Druck, aber ich gehe davon aus, dass er sich jetzt zurückhaltend geben wird und wir von ihm nicht befürchten müssen, dass er auf ein hartes Urteil drängt.«
»Ich verstehe nichts von hoher Politik«, sagte Jost, »aber beim ersten Verhör habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Kaiser trotz seiner Jugend eine klare Linie verfolgt. Offenbar verabscheut er Luther und seine Theologie.«
Friedrich stimmte ihm zu, meinte aber, dass der Kaiser Rücksicht nehmen müsse. Entscheidungen könnten nur im Konsens getroffen werden mit den Mächtigen im Reich … und ein kleines Wörtchen habe auch er mitzureden. »Allerdings mache ich mir keine Illusionen«, fuhr er fort, »wir können bestenfalls erreichen, dass man Luther nicht hinrichtet. Dass seine Lehren gebilligt werden – das ist undenkbar!«
Da sei noch etwas, sagte Jost, der Kurfürst sei ein viel beschäftigter Mann, und er habe bisher keine Gelegenheit gehabt, mit ihm darüber zu sprechen. Aber es gebe einen Mann, der bereits in Wittenberg und jetzt wieder in Worms versucht habe, Luther zu töten. Er befürchte, dass dieser Mann die heutige Verhandlung benutzen werde, sein Ziel zu erreichen. Es sei deshalb wichtig, möglichst wenig Zuschauer zur Sitzung zuzulassen – ideal wären gar keine. Außerdem würde er sich wünschen, dass man die Fenster geschlossen halte.
Spalatin schüttelte den Kopf. »Der Wormser Stadtrat hat vom Kaiser die ausdrückliche Genehmigung, Zuschauer zu den Verhandlungen zuzulassen.«
»Gut«, sagte Jost, »aber die Abmachung ist wahrscheinlich zu einem Zeitpunkt getroffen worden, als niemand ahnte, was für einen Ansturm Luthers Kommen auslösen würde. Gestern sind die Zuschauer nicht einmal kontrolliert worden, bevor sie den Saal betraten.«
»Spalatin hat recht«, stimmte der Kurfürst zu. »Darauf habe ich leider überhaupt keinen Einfluss. Wer ist denn dieser Mann, der Luther töten will?«
Jost erzählte dem Kurfürsten in Kürze alles, was er über Wulf wusste. Er könne keinen greifbaren Beweis liefern, aber er sei davon überzeugt, dass eine hochgestellte Persönlichkeit Wulf mit dem Mord beauftragt habe.
»Von wem redet Ihr?«
»Von Bischof Brangenberg.«
»Brangenberg? Der ist mir schon immer suspekt gewesen. Begründet Euren Verdacht näher.«
Nun musste Jost etwas weiter ausholen und im Detail über das Geschehene berichten.
»Bisher bin ich etwas unentschieden gewesen«, sagte Friedrich daraufhin, »aber nun werde ich alles tun, um Luther zu schützen.«
»Haltet Ihr es in diesem Fall nicht für sinnvoll«, fragte Jost, »dass man Luther verschwinden lässt – vorausgesetzt, er landet nicht auf dem Scheiterhaufen.«
»Verschwinden lässt?«
»Nun, ich meine damit, ihn irgendwo zu verstecken«, sagte Jost, »wo er in Sicherheit ist, damit ihn niemand finden kann.«
»Darüber habe ich, ehrlich gesagt, auch schon nachgedacht«, erwiderte Friedrich. »Denn Luther ist ein Stein des Anstoßes und gibt fortwährend eine Zielscheibe ab für Angriffe. Aber wohin mit ihm?«
Jost zuckte mit den Achseln: »Vielleicht eignet sich eine einsam gelegene Burg?«
Friedrich vergrub das bärtige Kinn in seiner linken Hand. »Die Wartburg vielleicht«, meinte er nach einer Weile.
»Am besten wäre es«, fügte Jost hinzu, »wenn man ihn verkleidet … zum Beispiel
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