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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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herumtrieb. Wie sie von Jost erfahren hatte, hielt sich Wulf, bevor er den Mord in der Kathedrale beging, in einem Kornspeicher gegenüber vom Dom auf. Jost sagte, Wulf hätte geplant, Luther von dort aus mit der Armbrust zu töten – durch eines der Fenster, die immer offen standen, weil die Luft im Saal sonst unerträglich war.
    Also hatte Wulf seine Taktik gewechselt. In Wittenberg hatte er Luther unauffällig töten wollen – und dazu sie und Martha als seine Werkzeuge missbraucht. Wie ließ sich der Sinneswandel erklären? Sie kam zu dem Ergebnis, dass jeder Versuch, einen Menschen wie Wulf nach logischen Maßstäben erfassen zu wollen, zum Scheitern verurteilt war. Dieser Mann stellte einen Widerspruch in sich selbst dar. Einerseits war er intelligent und plante seine Aktionen sorgfältig, dann aber handelte er spontan und impulsiv und warf alles über Bord, was vorher noch galt. Die einzige Konstante war sein Plan, Luther zu töten.
    Er wird es wieder versuchen, dachte Anna, heute, während der Verhandlung. Allerdings standen seine Chancen schlecht, denn Jost hatte dafür gesorgt, dass der gesamte Platz vor dem Dom scharf überwacht wurde. Seine Leute patrouillierten dort, unterstützt von der Stadtwache und von anderen Söldnern. Man achtete vor allem auf die dem Dom gegenüberliegenden Häuser; und außerdem wollte Jost sich darum bemühen, dass diesmal die Fenster während der Verhandlung geschlossen blieben.
    Anna stand mitten auf dem Platz, den Dom im Rücken und die Häuserzeile vor sich. Der Markt war wie immer gut besucht. Überall zwischen den Ständen patrouillierten Josts Söldner. Hier war für Wulf kein Durchkommen. Nein, dachte sie, er wird etwas anderes versuchen – vielleicht will er in den Saal kommen. Aber das schien noch unwahrscheinlicher zu sein. War Wulf vielleicht doch aus der Stadt geflüchtet, um nicht zurückzukehren? Nur ein Wahnsinniger würde wiederkommen, dachte sie … und im gleichen Atemzug: Aber schließlich ist er wahnsinnig!
    Plötzlich stand der Söldner vor ihr, dem sie bei der Wasserprobe das Leben gerettet hatte. Er fasste sie am Arm. »Da seid Ihr ja! Endlich habe ich die Gelegenheit, Euch zu danken.«
    Sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Ihr braucht Euch nicht bei mir zu bedanken. Was habe ich schon getan? Um die Wahrheit zu sagen: Ich folgte einfach einem inneren Antrieb und war vom Ausgang selbst überrascht – nichts Besonderes.«
    »Für mich ist mein Leben schon etwas Besonderes«, erwiderte der Söldner. »Wenn ich nur wüsste, wie ich das jemals wieder gutmachen kann.«
    »Ihr habt nicht irgendwo einen kleinen Mann bemerkt – fast ein Zwerg?«
    »Ihr meint den Dommörder?«
    »Nennt man ihn so? Er hielt sich vor seiner Flucht versteckt – im Kornspeicher.« Sie zeigte auf den Wohnturm.
    »Das ist eigenartig.« Der Söldner senkte den Kopf und wirkte nachdenklich.
    »Was findet Ihr eigenartig?«
    »Nun, ich habe zufällig ein Gespräch zwischen einem Getreidehändler und seiner Frau aufgeschnappt. Na ja, Gezänk ist das bessere Wort, ein typischer Ehezwist. Die Frau machte ihrem Mann Vorwürfe im Zusammenhang mit Geld, das sie in seiner Tasche entdeckt hatte und dessen Herkunft er nicht erklären konnte. Ich stand zufällig vor dem Fenster, als das Geplärre losging. Es handelte sich um eine Art Wette oder einen Streich. Die Frau fragte immer wieder, wofür er so viel Geld bekommen habe. Schließlich sagte er, ein Kind habe es ihm gegeben … und dieses Kind habe er in einem der Säcke versteckt. Seine Frau meinte, ein Kind könne ja wohl nicht so viel Geld bei sich tragen …«
    »Bringt mich zu dem Händler!«
    Er ging voran und bald standen sie vor dem Haus des Getreidehändlers. Anna klopfte laut gegen die Tür, aber nichts geschah. In dem Moment sahen sie einen Ochsenkarren die Gasse entlangkommen, ein Mann lief neben dem Tier her. Der Wagen blieb stehen. Ob sie zu ihm wollten, fragte der Mann.
    »Er ist es«, sagte der Söldner, »ich erkenne die Stimme.«
    Der Getreidehändler runzelte die Stirn, aber Anna ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Wir müssen mit Euch reden«, sagte sie. »Es handelt sich um einen bösen Streich, an dem Ihr beteiligt seid.« Anna sah, dass er sofort verstand, um was es ging. »Wen habt Ihr in einem Eurer Säcke versteckt? Ich warne Euch, wir reden über ein Verbrechen, und die Sache kann Euch teuer zu stehen kommen, falls Ihr lügt.«
    Anna sah, dass dem Mann die Farbe aus dem Gesicht wich. »Ich bin

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