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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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ein rechtschaffener, gottesfürchtiger Mann«, stotterte er.
    »Wen habt Ihr versteckt?«
    »Es war ein Kind.«
    »Das Märchen habt Ihr bereits Eurer Frau erzählt.« Anna betrachtete aufmerksam sein Gesicht. Sein Mund stand immer ein wenig offen, und wenn er sprach, zog er die Augenbrauen nach oben.
    »Das Kind, wie Ihr es nennt, hat Euch nämlich viel Geld gegeben. Also redet jetzt!«
    »Ich habe Euch nichts zu sagen.«
    Nun mischte sich der Söldner ein, er packte den Händler am Kragen und drängte ihn gegen seinen Karren. »Wen hast du im Sack versteckt und wohin hast du ihn gebracht?«
    »Habt Ihr nicht von dem Kathedralmord gehört?«, fragte Anna.
    »Natürlich«, erwiderte er, »die ganze Stadt spricht davon.«
    »Ist Euch nicht zu Ohren gekommen, dass der Mörder ein Zwerg war?«
    »Doch, doch, meine Frau erzählte es mir.« Nun weiteten sich die Augen des Händlers noch stärker, man konnte förmlich zuschauen, wie ihm ein Licht aufging. »Aber Ihr wollt doch nicht etwa sagen, dass …«
    »Geld hat schon anderen das Gehirn vernebelt«, sagte der Söldner. »Rede endlich! Was ist mit dem Sack passiert, nachdem du ihn darin versteckt hast?«
    »Er war Teil einer Lieferung – gegenüber vom Dom gibt es dieses große Haus mit vielen Stockwerken und einem Getreidespeicher …«
    Anna ließ die beiden ohne ein weiteres Wort stehen und rannte los. Wulfs Dreistigkeit war unglaublich, sie nötigte ihr fast Respekt ab, denn er hatte es tatsächlich geschafft, auf den Kornspeicher zurückzukehren. Sie lief so schnell, dass sie außer Atem kam und das Herz ihr bis zum Hals schlug. Auf dem Domplatz stieß sie mit einem Buchführer zusammen, sodass der Kasten mit Flugschriften, den er um den Hals trug, zur Seite kippte. Die Flugschriften und Broschüren fielen zu Boden. Der Mann rief Anna Flüche hinterher, aber sie rannte einfach weiter. Ohne Umwege steuerte sie den Geschlechterturm an. Vor der Tür stand ein Söldner, einer von Josts Männern, der sie kannte und mehrmals bei Jost gesehen hatte. Sie blieb vor ihm stehen und rang nach Luft.
    »Rasch! Lauft zu Jost!«, keuchte sie.
    »Das geht nicht«, wehrte der Söldner ab. »Jost ist drüben im Saal. Die Verhandlung hat schon begonnen.«
    »Sagt ihm, dass Wulf sich oben im Kornspeicher versteckt hält! Beeilt Euch, Luthers Leben ist in Gefahr!«
    Der Söldner öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber sie schob ihn mit beiden Händen weg, bis er tatsächlich über den Platz lief, Richtung Dom und Sitzungssaal. Anna zögerte einen Moment. Die Tür zum Haus stand offen, niemand war zu sehen. Wenn die Verhandlung bereits begonnen hatte, konnte die Warnung Jost zu spät erreichen. Sie hatte ihm zwar versprochen, nicht eigenmächtig zu handeln, vor allem sich nicht in Gefahr zu begeben … aber im Dom hatten Jost und seine Leute Wulf entkommen lassen! Sie konnte nicht länger warten, dafür war ihre Ungeduld viel zu groß.
    Sie lief ins Haus, zur Treppe und nahm gleich zwei Stufen auf einmal. Hinter der Tür zum ersten Stock hörte sie Stimmen, aber sie lief weiter. Der zweite Stock, der dritte, Annas Schritte wurden langsamer. Im vierten Stock blieb sie stehen. Sie musste leise sein. Ihr Herz schlug wild, und Schweiß lief ihr über das Gesicht. Jost würde verärgert sein, aber sie musste die Sache zu Ende bringen, also ging sie weiter, denn die Erinnerung an das, was Wulf ihr und Martha angetan hatte, wollte nicht verblassen. Für einen kurzen Moment fragte sie sich, ob der Wunsch nach Rache sie blind machte. Der fünfte Stock. Anna ging nun auf Zehenspitzen und lauschte nach jedem zweiten Schritt. Aber es war still! Sie sah die obersten Stufen und einen winzigen Teil des Kornspeichers, zu dem es keine Tür gab. Anna blieb stehen und lauschte; so kam sie wieder zu Atem. Falls Wulf wirklich dort oben war, gab er keinen Laut von sich.
    Von nun an nahm sie die Stufen einzeln und pausierte nach jeder. Ihr Mund fühlte sich so trocken an, als hätte sie seit Tagen nichts mehr getrunken, und ihre Kehle war wie zugeschnürt, sodass sie nicht schlucken konnte. Trotz aller Vorsicht knarrten die Stufen leise. Von der obersten aus konnte sie einen großen Teil des Speichers einsehen: Kornhaufen, Säcke an den Wänden, eine zerbrochene Schaufel, einen geschlossenen Fensterladen, davor zwei Fässer. Anna nahm allen Mut zusammen und ging vorsichtig ein paar Schritte weiter. Nun konnte sie fast den gesamten Raum einsehen, und ihr Blick fiel wieder auf die Schaufel. Neben dem

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