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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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umdrehen, er war nun doch etwas langsamer geworden. Wulf griff an seinen Stiefel und zog das Messer hervor.
    Wladislaw sah das Messer, eine kurze Unsicherheit flackerte in seinem Blick auf, aber er riss sich sofort wieder zusammen. »Tu dir nicht weh damit, mein Kleiner!«, setzte er seine Spottreden fort. »So ein Messer ist scharf.«
    Wulf erwiderte nichts: Er hatte zwei Möglichkeiten und musste sich entscheiden. Er war nicht schlecht im Messerwerfen, allerdings war die Distanz sehr kurz; als Alternative blieb noch, einen Angriff des Alten abzuwarten, denn der würde sicher nicht lange auf sich warten lassen. Die Vermutung erwies sich schon im nächsten Augenblick als richtig.
    Wladislaw, durch die Länge seiner Arme und des Stockes weiter im Vorteil, führte einen Hieb, dessen Zielrichtung Wulfs Arm mit dem Messer war. Wulf rollte auf die Seite, der Knauf streifte seinen Ärmel und landete im Korn. Wladislaw holte erneut aus, hob den Stock mit beiden Armen. Diesmal war der Schlag auf Wulfs Kopf gerichtet. Wulf, in Todesangst, wusste, dass er nur noch eine Chance hatte – und die musste er nutzen. Er legte alle Kraft in den entscheidenden Sprung – diesmal war er schneller als der Alte. Er stieß ihm das Messer mit aller Kraft in die Rippen. Sofort zog er es wieder hervor, um einen zweiten Stoß zu führen, aber so weit kam er nicht, denn Wladislaw umklammerte sein Handgelenk mit dem Messer.
    Wulf sah, dass sich das Wams seines Gegners rot färbte, aber der Stich schien seine Kräfte in keiner Weise gemindert zu haben. Es kam ihm so vor, als seien Wladislaws Finger aus Eisen; sie gruben sich so fest in sein Handgelenk, dass er das Messer kaum noch halten konnte. Mit seiner freien Hand bekam der Alte Wulfs Kehle zu fassen und drückte mit der gleichen Kraft zu wie mit der anderen Hand. Wulf bekam keine Luft mehr, sah rote und schwarze Punkte vor Augen; seine Finger öffneten sich und das Messer fiel zu Boden.
    Das lenkte Wladislaw ab, denn er schaute nach dem Messer; überlegte wohl, ob er sich danach bücken solle. Sein Griff am Armgelenk und am Hals lockerte sich. Oder ließ nun endlich seine Kraft nach? Mit einem Ruck konnte sich Wulf lösen und landete auf dem Boden. Neben ihm lag der Stock des Alten. Er griff danach, und als er sich wieder aufrichtete, sah er, dass Wladislaw nach dem Messer fasste. Doch noch ehe er es erreichte, schlug Wulf zu. Er zielte auf den Kopf, traf aber die Schulter. Wladislaw bäumte sich auf. Der zweite Schlag traf ihn am Kopf. Trotzdem fiel er nicht, sondern ging auf Wulf los und umklammerte ihn mit beiden Armen. Die Todesangst kehrte zurück, Wulf schloss mit seinem Leben ab. Dann plötzlich löste sich der Griff.
    »Mein Kleiner!«, sagte Wladislaw und sank auf einen Kornhaufen, ganz ruhig und sachte, ähnlich vielleicht wie ein Bauer, der einen langen Tag auf dem Feld verbracht hat, sich zur Erholung ins kühle Gras legt.
    In diesem Moment begannen die Glocken des Doms zu läuten. Der Glockenschall drang durch die dicken Wände des Speichers und füllte den Raum wie ein Totengeläut. Wulf betrachtete die leblose Gestalt neben dem Kornhaufen mit Respekt, Scheu und Abscheu. Noch immer rechnete er damit, dass Wladislaw wieder aufspringen und ihn angreifen könnte.
    »Hättest du nicht Katz und Maus gespielt«, sagte Wulf laut, »würde ich hier liegen. Aber das ist euer Fehler, dass ihr mich alle unterschätzt!«
    Er packte den Leichnam und zog ihn hinter einen Kornhaufen. Dann ging er zum Laden, öffnete diesen einen Spalt breit und schaute hinüber zum Dom. Genau in diesem Moment hielt der Kaiser Einzug, in Begleitung der Kurfürsten und seiner Ratgeber. Durch die offenen Fenster konnte Wulf beobachten, wie er durch die Aula Major schritt und auf seinem Thron Platz nahm. Der Saal konnte die Menge der Zuschauer kaum fassen, bald würde die Hauptverhandlung beginnen.
    Noch hatte der Ketzer den Saal nicht betreten, aber Wulf konnte die Stelle, wo er stehen würde, bestens einsehen. Er ging zu seiner Armbrust, holte die Kurbel hervor, stemmte seinen Fuß in den Bügel und spannte den Bogen. Auf der Mittelsäule ruhte der Bolzen mit Widerhaken. Ich werde nur einen Versuch haben . Wulf berührte mit Daumen und Zeigefinger die Spitze des Bolzens. Mehr verlange ich nicht. Dein Wille, Jungfrau, geschehe . Und er trat mit der schussfertigen Waffe ans Fenster.

KAPITEL 40
    Bald würde die Verhandlung gegen Luther beginnen. Anna war überzeugt, dass sich Wulf irgendwo in der Stadt

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