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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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als Junker … um die Tarnung perfekt zu machen.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, entschied der Fürst. »Aber erst einmal muss ich abwarten, was der heutige Tag bringt.«
    Und damit war Jost entlassen.

    Vier Uhr nachmittags
    Als der Kaiser mit seinem Gefolge den Saal betrat, erhoben sich alle von ihren Sitzen. Karl nahm Platz und bedeutete dem Rest der Versammlung, seinem Beispiel zu folgen. Jost musste sich – wie bei der ersten Verhandlung – mit einem Stehplatz begnügen, aber das war ihm ohnehin lieber. Er hatte den Eindruck, als seien noch mehr Zuschauer anwesend als am Tag zuvor. Die Luft war stickig und schwer wie immer, wenn zu viele Menschen in einem Raum versammelt waren. Noch war der Saal erfüllt von Stimmen, die durcheinander redeten, doch allmählich wurde es ruhiger.
    Durch die offen stehenden Fenster fiel die Frühlingssonne auf die rechten, aufsteigenden Bankreihen, während die gegenüberliegende Seite vollständig im Schatten blieb. Das Licht blendete so stark, dass sich manche die Hand vor die Augen hielten. Jost stand im Schatten. Sein Blick ging über die Reihen der Fürsten und Adligen hoch zu den offenen Fenstern, die ihm ein Dorn im Auge waren.
    Zunächst wurden Reichsangelegenheiten verhandelt, die nichts mit Luther zu tun hatten. Schließlich sandte man den kaiserlichen Herold aus, um Luther vorzuladen. Er hatte Mühe, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen, als er schließlich den Saal betrat. Jost sah, dass sein alter Freund Georg Frundsberg Luther am Arm fasste und einige Worte zu ihm sagte, aber er stand zu weit entfernt, um etwas zu verstehen. Schließlich blieb Luther mit einigem Abstand vor dem Tisch stehen, auf dem seine Schriften lagen. Wie am vorherigen Tag stand hinter dem Tisch der Offizial, der an Stelle des Kaisers die Verhandlung leitete. Er sagte zunächst auf Deutsch, dann auf Lateinisch die folgenden Worte:
    »Martin Luther, die kaiserliche Majestät hat dir diese Stunde bestimmt. Gestern hast du die Bücher, die wir aufzählten, als dein Eigentum anerkannt. Auf die Frage hingegen, ob du etwas davon für irrig erklären oder alles aufrechterhalten willst, hast du um Bedenkzeit gebeten. Diese ist nun zu Ende.«
    Jost war mulmig zumute, als stünde er selbst unter Anklage. Luther stand weit entfernt, aber er glaubte, auch ihm Befangenheit anzumerken. Es erinnerte Jost an die gestrige Verhandlung und Luthers enttäuschenden Auftritt. Wenn er seine Schriften widerruft, dachte Jost, dann ist das ein Verrat an allen Menschen, die an ihn glauben. Dann triumphiert der Papst, und die Wahrheit bleibt am Boden liegen.
    »Von Rechts wegen hättest du gar keinen Aufschub erhalten sollen«, fuhr der Offizial fort, »da du lange genug wusstest, wozu man dich berief. Denn man sollte annehmen, dass in Sachen des Glaubens ein jeder so sicher ist, dass er zu jeder beliebigen Zeit Rede und Antwort stehen kann. Das sollte besonders für einen so bedeutenden und erfahrenen Lehrer der Theologie gelten wie du einer bist. Nun wohlan, antworte auf des Kaisers Forderung, dessen Güte du an der dir erteilten Bedenkzeit erkennen konntest: Willst du die von dir anerkannten Bücher alle verteidigen oder widerrufen?«
    Während der Offizial seine Worte auf Lateinisch wiederholte, verschärfte er nochmals den Tonfall. Er wirkte nun sehr kämpferisch. Im Saal war es so still, dass man das Fallen einer Nadel hätte hören können.
    Luther holte tief Luft. »Erhabenster Herr und Kaiser, durchlauchtigste Fürsten, gnädigste Herren«, sagte er. Seine Stimme klang wie gestern recht leise, er räusperte sich aber und sprach danach etwas lauter. »Gehorsam erscheine ich zu der mir gestern festgesetzten Frist, und um der Barmherzigkeit Gottes willen bitte ich Eure erhabenste Majestät und Eure durchlauchtigsten Herrlichkeiten um gnädiges Gehör für meine Sache – die Sache der Gerechtigkeit und Wahrheit, wie ich hoffe. Und sollte ich in meiner Unerfahrenheit jemandem nicht die gebührenden Titel geben oder irgendwie gegen den höfischen Brauch sündigen, so bitte ich, es mir gütig zu verzeihen. Ich habe mein Leben nicht an Höfen zugebracht, sondern in Mönchswinkeln. Was ich bisher gelehrt und geschrieben habe, diente dem alleinigen Zweck, Gott zu preisen und die Christgläubigen wahrhaft zu unterweisen.«
    Jost spürte wie wahrscheinlich jeder im Saal, dass Luther langsam in Schwung kam. Seine Stimme gewann an Ausdruckskraft, seine Haltung wirkte fester und aufrechter, er begann sogar, seine

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