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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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Stadtviertel mit verfallenen Häusern und Unrat in den Straßen, der fürchterlich stank. Dann kamen stattlichere Gebäude, und schließlich erreichte er den Marktplatz. Trotz der Kälte wurde an einem der Häuser gebaut; ein Fuhrwerk mit Holzlatten stand bei einem Gerüst, und drei Arbeiter entluden die Fracht. Aus dem Inneren des Gebäudes schallten Hammerschläge. Zwei Frauen schöpften Wasser am Brunnen. Ein Junge mit einem Bündel Reisig unter dem Arm bot seine Ware einem Kaufmann feil.
    Wulf ritt auf einen Gasthof zu, über dessen Eingangstür eine aus Metall geformte Wildsau hing. Er lud seinen Reisesack ab und betrat den Schankraum. Drinnen war es leer bis auf einen Knecht, der den Kachelboden schrubbte. Wulf bat ihn, sich um sein Pferd zu kümmern und den Wirt zu rufen. Der Knecht verschwand; wenig später erschien eine Frau von vielleicht vierzig Jahren. Sie wischte ihre Hände an einer schmutzigen Schürze ab, die sie über einem blauen, bis zu den Füßen reichenden Leinenkleid trug. Ob er ein Zimmer suche, wollte sie wissen, und Wulf erklärte, dass er einige Zeit in Wittenberg bleiben werde.
    Sie betrachtete ihn mit forschendem Blick. Es war eine ungewöhnliche Zeit für eine Pilgerreise. Er wolle nach Santiago de Compostela, fügte Wulf hinzu, aber nun mache er in Wittenberg Station, weil der Ort bekannt sei für seine Reliquien.
    »Wenn Ihr länger bleibt, gebe ich Euch das beste Zimmer zum Marktplatz hin«, bot die Frau an.
    »Im Moment ist wohl nicht viel los in der Stadt?«
    »Na ja, wer reist schon im Winter durch die Gegend?« Ihr Gesicht wirkte ausgezehrt, mit dunklen Ringen unter den Augen. Die Wirtin, die eine Haube trug, zeigte ihm das Zimmer, in dem mehrere Betten standen, aber Wulf war der einzige Gast. Das kam ihm sehr gelegen. Sie gingen wieder nach unten. Die Wirtin brachte Wulf einen Teller mit aufgewärmter Kohlsuppe und einen Kanten Brot. Während er am Tisch saß und aß, setzte sie sich zu ihm und fragte ihn ein wenig aus. Sie sei Witwe, erfuhr Wulf, und er erzählte ihr, er sei von Beruf Schreiner, genauer gesagt Kunsthandwerker und auf schwierige Einlegearbeiten spezialisiert. Seine Möbel mit Intarsien würden von Adligen gekauft. So habe er Geld zur Seite gelegt, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen: die Pilgerfahrt ins ferne Spanien. Im Gegenzug fragte er sie über Wittenberg aus und brachte das Gespräch ohne Eile auf Luther. Ob es eine Möglichkeit gebe, den berühmten Mann persönlich kennenzulernen, wollte er wissen.
    »Die Augustiner leben im Schwarzen Kloster«, sagte sie. »Aber er ist immer beschäftigt und hat nicht Zeit für jeden.« Sie beschrieb ihm den Weg dorthin.
    »Kennt Ihr ihn?«
    »Natürlich kenne ich den Doktor Martinus, jeder in Wittenberg kennt ihn; schließlich steht er häufig auf der Kanzel.« Sie fasste Wulf am Arm und fügte hinzu: »Einen besseren Prediger können wir uns nicht wünschen.«
    Eine junge Frau mit einem um den Kopf gebundenen Tuch hantierte in der Küche. Manchmal mischte sich der Knecht ins Gespräch ein. Die Wirtin erzählte von Lucas Cranach, der ein guter Freund Luthers sei. Schließlich stand Wulf auf. Er wolle sich noch ein wenig in der Stadt umschauen.
    Er überquerte den Marktplatz. Wittenberg gefiel ihm, ein überschaubarer Ort. Respektvoll betrachtete er die beim Markt gelegene Stadtkirche mit den hohen Zwillingstürmen. Wulf wanderte durch die Gassen. Es schneite nun stärker, und auf dem gefrorenen Boden blieb eine weiße Schicht liegen. Drei Mädchen spielten Fangen. Er erreichte das Schwarze Kloster und spürte, wie er unruhig wurde. Jetzt war er Luther so nah wie noch nie. Sein Jagdinstinkt erwachte. Am liebsten hätte er sofort gehandelt, noch am selben Tag.
    Das Augustiner-Eremiten-Kloster hatte eine imposante Fassade mit vielen Fenstern. Dieser Orden, der als besonders streng galt, war reich, sonst hätte er sich ein solches Gebäude nicht leisten können. Wulf wusste, dass die Mönche im Leben der Stadt eine wichtige Rolle spielten; einige lehrten als Professoren an der Universität. Er musste Witterung aufnehmen! Stimmen redeten wirr in seinem Kopf durcheinander.
    Dann ging er wieder in den entgegengesetzten Teil der Stadt, besah flüchtig das Schloss und die Schlosskirche. In der Nähe lag auch der Cranachhof, nach dem er sich erkundigt hatte. Wulfs Ideen waren noch etwas vage. Er spürte, dass sein Vorhaben nur gelingen konnte, wenn er Luther im privaten, häuslichen Kreis zu fassen bekam, denn zum Schwarzen

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