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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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das fehlende Glied in seinem Plan darstellen.

KAPITEL 6
    Ein junger Mönch führte Jost durch mehrere Räume des Augustiner-Eremiten-Klosters, in denen noch der Winter zu regieren schien. Sie gingen kahle, graue Gänge entlang; an den Mauern waren Eisenhalterungen befestigt, in die man Fackeln stecken konnte. Dann bogen sie nach links ab und kamen durch ein offenes Tor schlagartig eine andere Welt.
    Ein großer Garten befand sich hier im Klosterhof; die Sonne schien, und es war vorfrühlingshaft mild und angenehm. Es roch ein wenig süßlich, vermischt mit dem Geruch von Dung, den der Wind herantrieb. Einige Sträucher, die Jost nicht kannte, blühten schon, und aus dem blassen Grün eines bescheidenen, abgegrenzten Wiesenstücks leuchteten gelbe Flecken. Der Mönch zog sich gleich wieder zurück, und Jost blieb zunächst am Tor stehen.
    Luther, in dunkler Kutte mit Tonsur, ein Bein über das andere geschlagen, saß auf einer einfachen Holzbank. Er war in ein Buch vertieft und bemerkte daher den Ankömmling gar nicht. Beim Lesen bewegte er die Lippen und murmelte einige Worte, die in Josts Ohren lateinisch klangen. Über Luther wölbten sich die noch kahlen Äste eines Apfelbaumes. Zwei Blaumeisen klammerten sich kopfüber, kopfunter an die Zweige und pickten an den harten Knospen, wo sie kleine Insekten oder Läuse finden mochten.
    Jost trat näher, und Luther schaute überrascht auf, als habe man ihn bei etwas Unschicklichem ertappt. Sein Gesichtsausdruck machte Jost unmissverständlich klar, dass er ihm alles andere als willkommen war. Aber es gab kein Zurück mehr. Jost musste versuchen, irgendwie mit diesem Mann auszukommen. Er grüßte, stellte sich vor und nahm unaufgefordert auf einer zweiten Bank Platz, die quer zur andern stand.
    »Was für ein herrlicher Tag«, sagte Jost, weil er nicht recht wusste, wie er das Gespräch beginnen sollte. »Es liegt so eine Stimmung in der Luft, die mich an meine Kindheit erinnert.«
    »Und Ihr seid meine neue Amme«, erwiderte Luther.
    »Ich habe mich um die Aufgabe nicht gerissen.« Jost ärgerte sich gleich wieder über seine Antwort. Warum fing er an, sich zu verteidigen? Das war immer die falsche Strategie. Wenn man etwas erreichen wollte, musste man selbst angreifen.
    »Wie soll das in Zukunft funktionieren?«, fragte Luther. »Wollt Ihr den ganzen Tag neben mir herlaufen?«
    »Wenn es sein muss, setze ich mich auch nachts zu Euch ans Bett.«
    Luthers Augen verschossen Giftpfeile, und Jost spürte, dass er ein wenig zu forsch geantwortet hatte.
    »Scherz beiseite.« Er bemühte sich um Schadensbegrenzung. »Genau deshalb bin ich hier, um gemeinsam mit Euch einen Weg zu finden, wie wir für Eure Sicherheit sorgen, ohne dass dadurch Eure Freiheit eingeschränkt wird.«
    »Das ist so«, erwiderte Luther, der nachdrücklich das Buch zusammenklappte und neben sich auf die Bank legte, »als wolle man in Wein Essig hineinmischen – und erwartet, er möge schmecken wie vorher.«
    Die Blaumeisen beschimpften sich über ihren Köpfen, und ein Stück Kot fiel neben Jost auf die Bank. Er überlegte fieberhaft, ob es irgendein Mittel gab, diesem Dickkopf näherzukommen.
    »Habt Ihr als Kind keine Amme gehabt?«, griff Jost das Thema wieder auf.
    »Schon – nur bin ich kein Kind mehr.«
    »Und hat sie Euch nicht manchmal schöne Märchen erzählt?«
    »Wollt Ihr jetzt anfangen, mir Märchen zu erzählen?«
    »Warum nicht?«
    Zum ersten Mal hellte sich Luthers Stirn auf und um seine Mundwinkel zeigte sich der Ansatz eines feinen Lächelns, das er aber sogleich unterdrückte. »Ja, warum nicht? Für Märchen bin ich immer zu haben – und für Fabeln. Aber sie müssen gut sein, wenn du mich um den Finger wickeln willst.«
    Jost nahm das Spiel an. Sehr spielerisch war ihm allerdings nicht zumute, denn er spürte, dass von seiner kurzen Erzählung abhing, ob ihn Luther akzeptieren würde oder nicht. Dabei hatte er weiß Gott nicht die geringste Erfahrung darin, Märchen zu erzählen. Wenn er es recht überlegte, war dies sogar das erste Mal überhaupt. Er fragte sich, wie er nur auf diese Idee gekommen war. Welcher neckische Geist hatte ihm das ins Ohr geflüstert? Vor allem hatte er keine Ahnung, wovon seine Geschichte handeln sollte.
    »Es war einmal ein König, der regierte ein großes Reich«, begann er, weil so wahrscheinlich alle Märchen begannen und ihm nichts Besseres einfiel. Er stockte.
    »So weit nicht schlecht«, sagte Luther. »Aber war das schon alles?«
    Jost

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